Westdeutsche Zeitung: Linksruck von Alexander Marinos
Geschrieben am 13-08-2007 |
Düsseldorf (ots) - Früher hätte sich die SPD über einen Linksruck in Deutschland gefreut, heute gibt es kaum etwas Gefährlicheres für sie. Die Menschen sehnen sich nach mehr sozialer Gerechtigkeit. Sie verstehen nicht, warum Aktien steigen, sobald ein Konzern Mitarbeiter entlässt, und warum Top-Manager Millionen-Gehälter kassieren, während ein Friseur mit seinem Verdienst kaum noch eine Familie ernähren kann. Dumm nur für die Sozialdemokraten ist, dass nach einer Allensbach-Umfrage 29 Prozent der Wahlberechtigten die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit der Linkspartei zuordnen und nur noch 22 Prozent der SPD. Dass es in Deutschland eine strukturelle linke Mehrheit gibt, nutzt letzterer wenig. Aber was ist eigentlich "links"? Früher verstand man darunter das Bestreben, bestehende Staats- und Gesellschaftsstrukturen zu überwinden. Links war ein anderes Wort für "progressiv" oder "fortschrittlich", auch für "emanzipativ". Heute ist der Linksruck eher eine Reaktion auf die Verunsicherung, die aus der konjunkturellen Krise und der Reformpolitik zu Beginn des Jahrtausends resultiert. Auch der fast schon traumhafte Wirtschaftsboom, über den wir uns zurzeit freuen, hat (noch) nicht für mehr Vertrauen gesorgt. Die Menschen sehnen sich nach der alten Bundesrepublik, in der ein dicht geknüpftes soziales Netz vor harten Abstürzen bewahrte. Links ist heute eher sozialkonservativ, rückwärtsgewandt - und oft alles andere als emanzipativ. Christa Müller, die Ehefrau Oskar Lafontaines und familienpolitische Sprecherin der "Linken" im Saarland, hat soeben ein bemerkenswertes Beispiel dafür geliefert. Im Krippen-Streit steht sie auf der Seite des reaktionären Augsburger Bischofs Walter Mixa, der der (linken?) CDU-Ministerin Ursula von der Leyen unterstellt hatte, sie wolle Mütter zu "Gebärmaschinen" degradieren. Auf den ersten Blick war das überraschend, auf den zweiten nicht. Noch mehr dieser "Outings", und die "Linke" steht nicht mehr ganz so glänzend da. Bis dahin aber ist sie nicht nur für die SPD eine Gefahr. Hartz IV, Rentenpolitik oder Afghanistan-Einsatz: Die Linkspartei repräsentiert Einstellungen, die bis tief ins bürgerliche Milieu reichen. Erstes Opfer könnte am 27. Januar Ministerpräsident Roland Koch bei der Landtagswahl in Hessen sein.
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