Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Elterngeld
Geschrieben am 16-08-2007 |
Bielefeld (ots) - In seinem Standardwerk »Die Arbeit tun die anderen« meinte Helmut Schelsky trocken: Wer lehrt, herrscht. Heute würde er vielleicht noch hinzufügen: Wer redet, herrscht auch. Das gilt insbesondere in der Familienpolitik. Die gängige Lehre verkündete die zuständige Ministerin mit dem Satz: Das Elterngeld entwickele sich zum Renner. Und wenn man es nur oft genug sagt, dann glauben es die Leute auch. Ursula von der Leyen beruft sich auf Zahlen. 200000 Anträge auf Elterngeld seien bewilligt worden. Statistiken allerdings sind vielfach interpretierbar. Mehr als die Hälfte, nämlich 108000 Mütter und Väter bekommen nur den Sockelbetrag von 300 Euro. Sie gehören zu den Niedrigverdienern. Vor dem Elterngeld bekamen sie dieses Geld auch, aber nicht 12 Monate, sondern 18. Für mehr als die Hälfte der Bezieher ist das Elterngeld also kein Renner. Eher für den Staat, er spart kräftig an den Armen. Der Höchstbetrag von 1800 Euro wurde übrigens nur 43 mal bewilligt. Das Elterngeld werde zu einem Babyboom führen, verkündete die Ministerin noch 2006. Sie ist mittlerweile vorsichtiger geworden und bezeichnet es als einen Erfolg, wenn die Geburtenzahl stabilisiert werde. Das ist bei 200000 Anträgen kaum zu erwarten. Auch der von manchen Gelegenheitsdemographen ausgerufene Babyboom wegen ein paar hundert Babys mehr im ersten Quartal 2007 ist sehr verfrüht. Wenn Deutschland in diesem Jahr die 674000-Geburten-Marke aus dem vergangenen Jahr noch hält, darf man froh sein. Das Elterngeld hätte vielleicht auch etwas bewirkt - die Idee ist im Prinzip ja richtig -, wenn diese Große Koalition die Eltern nicht so brutal geschröpft hätte. Die Streichung der Eigenheimzulage, die Kürzung des Kindergeldes um zwei Jahre, die rabiate Kürzung der Pendlerpauschale und die Erhöhung der Mehrwertsteuer kosten die Familien in Deutschland mehr als zehn Milliarden Euro. Da kommt das Elterngeld mit seinen kalkulierten 1,5 Milliarden recht bescheiden daher. Aber die Ministerin hat ja auch nicht die Elternschaft im Allgemeinen im Sinn, sondern das doppelverdienende Akademikerpaar. Das soll Kinder bekommen, weil man davon ausgeht, dass dessen Kinder in einem sozio-kulturellen Umfeld aufwachsen, aus dem dann gute Arbeitnehmer mit prächtigen sozialpflichtigen Jobs hervorgehen. Für diese Paare sollte das Elterngeld ein Anreiz sein. Aber die Furcht vor einem Karriereknick ist wohl doch größer, sonst gäbe es weit mehr Anträge über dem Sockelbetrag von 300 Euro. Und ob die Kinder aus diesem Umfeld wirklich besser geraten, das ist noch eine ganz andere Frage. Das Geld mag ein Zeugungsfaktor sein, für die Erziehung bedarf es weit mehr, nämlich Zeit und Liebe. Dafür sind die Rahmenbedingungen aber denkbar schlecht. Deshalb ist das Elterngeld kein Renner, sondern bestenfalls ein Mitläufer. Auch wenn man viel darüber redet.
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