Der Tagesspiegel: "Die Politik allein kann es nicht richten" - Der Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, Uni Bielefeld, über ausländerfeindliche Übergriffe in Ost
Geschrieben am 21-08-2007 |
Berlin (ots) - Berlin - Der Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld, Professor Wilhelm Heitmeyer, hat im Interview mit dem Tagesspiegel davor gewarnt, den Vorfall in Mügeln allein auf die Frage nach einem rechtsextremen Hintergrund zu verengen. "Womit wir es hier zu tun haben, ist schwieriger einzuordnen. In bestimmten Landstrichen im Osten wandern besonders die leistungsfähigen jungen Leute ab. Dadurch werden die sozialen Gruppen immer homogener - ebenso wie die Einstellungen. In diesen Gebieten ist eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die Abwertung von schwachen Gruppen wie Ausländern, Homosexuellen oder Juden, deutlich stärker vertreten als anderswo. Hinzu kommt, dass Gewalt häufig aus homogenen Gruppen heraus entsteht", sagte Heitmeyer dem Tagesspiegel. Dieses Phänomen der Desintegration gebe es in allen Regionen, die von Abwanderung und Abstieg gekennzeichnet seien - also auch im Westen. "Wo die Zugänge zum Arbeitsmarkt versperrt sind, fehlen den Menschen Anerkennungsmöglichkeiten. Umso wichtiger wird die Anerkennung in der Gruppe." Heitmeyer warf der Politik Ignoranz vor, forderte gleichzeitig aber auch ein stärkeres gesellschaftliches Engagement. "Für die Substanz der Demokratie sind nicht nur die Politiker zuständig. Man muss besonders die lokalen Eliten ansprechen. Sie müssen aufstehen und auf eine Veränderung des Klimas hinwirken", sagte er. Weiter sagte er, man dürfe nicht nur auf die meist jungen Gewalttäter schauen, die Älteren seien ebenfalls Teil des Problems. "Die Jugend bringt die Gewalt ins Spiel und dann wird die Gesellschaft nervös. Aber die Älteren liefern die Legitimation, indem sie nicht eingreifen und Einstellungen weitergeben."
(Der Tagesspiegel Politikredaktion Tel. 030-26009-389
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