LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Hetzjagd in Mügeln
Geschrieben am 21-08-2007 |
Leipzig (ots) - Leitartikel Von Micha Schneider Pawlowsche ReflexeIn Mügeln ist Schlimmes geschehen. Menschen hetzen Menschen durch die Straßen, prügeln, werfen mit Steinen. Es gibt Verletzte. Dies an sich würde keinesfalls den Rahmen des nationalen Interesses sprengen, wären nicht ausländische Mitbürger in die Vorfälle verwickelt. Sensibilisierung mit Blick auf ausländerfeindliche und rassistische Umtriebe ist zwingend notwendig. Fehl am Platze aber sind Vorverurteilungen, Pauschalisierungen und Stigmatisierungen. Pawlowsche Reflexe laufen ab, wenn es um Gewalttaten geht, bei denen Ausländer zu Schaden kommen. Sofort reden Außenstehende von Rassismus und Rechtsextremismus. Ebenso reflexartig reagieren betroffene Verantwortungsträger, die jegliche Tendenzen in dieser Richtung negieren. Mügeln ist diesbezüglich ein Musterbeispiel. Noch bevor die Untersuchungen der Vorfälle ins Laufen kamen, wurde der Ort als Brutstätte neonazistischer Gewalt abgestempelt. Und das trotz des Falls eines 1997 angeblich von Neonazis ermordeten Kindes in Sebnitz. Mügelns Bürgermeister Deuse stellte ebenso vorschnell einen Persilschein für alle Bewohner seines Ortes aus. Und das trotz der Toten von Mölln und Dessau. Fakt ist: Ausländerfeindliches Denken ist partiell vorhanden. In Mügeln, in Leipzig, in Erfurt, deutschlandweit und weltweit. Das Problem auf den Osten Deutschlands zu reduzieren, ist unredlich und wenig hilfreich, erweckt zudem den Verdacht, nach dem St.-Florians-Prinzip von sich auf andere abzulenken. NPD, Republikaner und andere braune Seilschaften sind keine Ost-Erfindungen, sondern vom Westen aus organisierte und finanzierte Trupps. In wirtschaftlich gebeutelten Regionen mit Menschen, die sich in die Verliererrolle gedrängt sehen, fallen ihre Parolen auf fruchtbaren Boden. Einen Boden, den die Vor-Vorgänger-Partei der Linken, die SED, bestellt hat. Anderssein war nicht gefragt, wurde im Extremfall sogar bestraft. Denken und Handeln, selbst Kleidung, Haarschnitt und Musik waren reglementiert. Die Möglichkeit einer Begegnung mit Ausländern reduzierte sich "dank" Mauer und Stacheldraht ohnehin auf ein Minimum. Unabhängig vom Hintergrund der Vorgänge in Mügeln ist eine derartige Gewaltorgie beschämend. Gleich ob Jagd auf Deutsche oder Ausländer gemacht wird, gleich ob Frauen oder Männer, Kinder oder alte Menschen angepöbelt, belästigt oder bedroht werden - hier ist nicht Wegschauen oder gar Voyerismus gefragt, sondern couragiertes Handeln. @m.schneider@lvz.de
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351 Pressemappe via RSS : feed://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
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