Nobelpreisträger Stiglitz kritisiert EU und USA: 'Keine Hinweise, dass die reichen Staaten zu Zugeständnissen bereit sind'
Hamburg, 12. Dezember 2005 – Der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz erwartet ein Scheitern des Welthandelsgipfels, der am Dienstag in Hongkong beginnt. Die Chancen, dass sich die Politiker auf einen weiteren Abbau von Handelsbarrieren einigten, lägen nahe Null, sagte Stiglitz im Interview mit SPIEGEL ONLINE. 'Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es in Hongkong eine Abmachung geben wird. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die reichen Staaten bei Themen wie der Agrarpolitik zu weiteren Zugeständnissen bereit sind', erklärte der Ökonom und prominente Globalisierungskritiker.
Ähnlich unwahrscheinlich sei, dass die Verhandlungen 'wirklich der Entwicklung der ärmeren Länder dienen' würden. Dabei hatten sich die Staaten eben dies zum Ziel genommen, als sie die laufende Gesprächsrunde der Welthandelsorganisation WTO vor vier Jahren in Doha in Katar eröffneten. Die Vorschläge, über die in Hongkong diskutiert werden solle, böten den meisten Entwicklungsländern 'sehr wenig Gewinn und sehr große Risiken', sagte Stiglitz.
Den Unterhändlern der USA und der Europäischen Union warf Stiglitz vor, nicht ernsthaft an einer Lösung interessiert zu sein – sie seien vor allem damit befasst, 'die andere Seite anzuschwärzen' und sich selbst zu rechtfertigen. 'Wenn sie all diese Energie und Klugheit in die Verhandlungen investiert hätten, könnten wir schon viel mehr Fortschritte haben', sagte er.
In Hongkong treffen die Unterhändler von 149 Staaten von Dienstag bis Sonntag zum Ministergipfel der WTO zusammen. Stiglitz ist ebenfalls in die südchinesische Metropole gereist, um dort eine Reihe von Vorträgen zu halten. Der Professor, der an der Columbia Universität in New York lehrt, hatte 2001 zusammen mit zwei Kollegen den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten.
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