LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Kinderarmut Soziale Last
Geschrieben am 13-09-2007 |
Leipzig (ots) - Von André Böhmer Es ist schmerzhaft, in einem reichen Land wie Deutschland das Wort Kinderarmut aussprechen zu müssen. Doch dieser Fakt lässt sich nicht mehr beschönigen. Schätzungsweise 2,6 Millionen Mädchen und Jungen leben auf Sozialhilfeniveau. Eine erschreckende Entwicklung, die schon unter Rot-Grün begonnen hatte und jetzt als soziale Last auf das Gewissen der Großen Koalition drückt. Wenn der Arbeitsminister nun in Aussicht stellt, Kinder in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften mit erhöhten Eckregelsätzen zu unterstützen, so ist das zunächst mal ein lohnenswerter Ansatz. Franz Müntefering ist auf dem richtigen Weg. Und beim Koalitionspartner hat er gewichtige Fürsprecher. Familienministerin Ursula von der Leyen, die mit kinderfreundlichen Initiativen für die Union ein bislang brachliegendes politisches Feld erfolgreich besetzt hat, zieht mit dem Arbeitsminister an einem Strang. Krippenausbau und Elterngeld sind Ansätze, die zeigen, dass es der Koalition Ernst damit ist, das Land kinderfreundlicher zu gestalten. Die Erfolge - siehe leicht sinkende Geburtenzahlen im vergangenen Jahr - stellen sich freilich nicht von heute auf morgen ein. Das Duo Müntefering und von der Leyen beweist, dass es zu Entscheidungen mit Weitsicht in der Lage ist. Zu dieser Einschätzung gehört auch eine Aussage des Vizekanzlers in der gestrigen Haushaltsdebatte. Es ist schon bemerkenswert, wenn Müntefering ausdrücklich darauf hinweist, dass das Geld auch bei den betroffenen Kindern ankommen müsse. Die Erkenntnis, dass mit sozialen Zuschüssen zu oft Schindluder getrieben wurde, hat sich offensichtlich auch unter den Sozialdemokraten durchgesetzt. Das ist noch immer besser, als mit falsch verstandener Sozial-Romantik den staatlichen Samariter zu spielen. Denn nicht jeder Euro, der Not leidenden Familien aus den Sozialkassen gezahlt wird, wird am Ende so ausgegeben, dass er die drängendsten Probleme der Betroffenen auch tatsächlich behebt. Münteferings Aussage ist starker Tobak, macht aber unmissverständlich klar:Manchmal muss man Kinder auch vor ihren Eltern schützen. Ein reiner Geldtransfer käme in vielen Fällen nicht dort am, wo er am dringendsten benötigt wird. Also lieber eine Art finanzielle Umleitung über einen Zuschuss zum Essengeld in Schule oder Kindergarten. Das hat den Vorteil, dass sich Missbrauch von vornherein ausschließen lässt. Noch haben Münteferings Vorschläge aber die wichtigste Hürde nicht genommen:Finanzminister Peer Steinbrück. Der SPD-Kassenwart kann sich über kräftige Mehreinnahmen im Staatshaushalt und einen Schuldenabbau schneller als geplant freuen. Bei den Ausgaben zeigt er sich defensiv. Das ist konsequent, denn ein ausgeglichener Haushalt, der noch in dieser Legislatur in Sicht ist, gibt kommenden Generationen Investitionsspielraum zurück. An den 500 Millionen Euro, die Müntefering für seine Kinderzuschüsse veranschlagt hat, sollte sich Sparkommissar Steinbrück allerdings nicht festbeißen. Auch das wäre eine Investition in die Zukunft. Denn Kinderarmut muss in Deutschland wieder ein Fremdwort werden.
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