Wiesbadener Kurier: Zu Flugzeug-Abschüssen:
Geschrieben am 17-09-2007 |
Wiesbaden (ots) - Der 11. September 2001 hat die Welt verändert ¬ genau so, wie es befürchtet worden war. Die Vereinigten Staaten haben bei der Jagd auf Terroristen ihr Rechtssystem so stark durchlöchert, dass sie selbst als das Opfer plötzlich moralisch angreifbar waren ¬ Stichwort Abu Ghoreib oder Guantanamo. Verfassungsmäßige Rechte galten nicht mehr. Das hat auch die Bundeskanzlerin kritisiert. Doch sie sollte nicht nur mit US-Präsident George W. Bush Gespräche führen, sondern hin und wieder auch die eigenen Minister an das deutsche Grundgesetz erinnern. Es wird vielen Menschen Angst machen, dass Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2006 schon vergessen hat. Laut unserem höchsten Gericht gibt es keine Möglichkeit, ein mit Passagieren besetztes, gekapertes Flugzeug abschießen zu lassen, weil befürchtet wird, Luftpiraten könnten es als Waffe verwenden und mit größtmöglichem Schaden abstürzen lassen. Zur Erinnerung: Ein Abschuss verstößt gegen die Grundgesetzartikel 1 und 2. Es geht um die Würde des Menschen, um sein Recht auf Leben, und deshalb geht es eben niemals und gar nicht, Leben gegen Leben aufzurechnen, wie der CDU-Politiker Jung das möchte. Wer dies dennoch verfassungsrechtlich möglich machen will, muss die Artikel 1 und 2 unserer Verfassung einschränken oder aufgeben. Dann aber bleibt nichts mehr übrig von deren universellem Charakter, und die Bundesrepublik wird sich ethisch irgendwo zwischen Weißrussland und China wiederfinden. Wie sind doch diejenigen, die totalitären Staaten und autokratischen Staatsmännern immer wieder predigen, die Menschenrechte seien unteilbar und die obersten Gerichte eines Landes müssten respektiert werden. Es gereicht Jung nicht zur Ehre, wenn er die schwierige Entscheidung über Leben und Tod auch ohne rechtliche Grundlage zu treffen gedenkt. Das Recht ist es nämlich, das uns unsere moralische Überlegenheit über terroristische Attentäter gibt, das uns befugt, mit allen zulässigen Mitteln gegen sie vorzugehen. Die Terroristen sind die Kriminellen. Die Bundeswehrpiloten sind deshalb zu Recht entsetzt über die verbale Offensive des Verteidigungsministers, denn sie müssen letztendlich die Tod bringende Rakete auslösen und mögliche juristische Konsequenzen auf sich nehmen. Und niemand kann vorher oder hinterher mit Sicherheit sagen, dass die Abschussentscheidung richtig war. Der 11. September 2001 hat uns auch der Sicherheit beraubt, auf alles eine Antwort zu wissen und für alles Lösungen zu finden. Vorher ließ es sich sehr leicht verdrängen, wie verwundbar Gesellschaften sind.
Originaltext: Wiesbadener Kurier Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/64428 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_64428.rss2
Pressekontakt: crossmedia@vrm.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
93170
weitere Artikel:
- Westdeutsche Zeitung: Meisner = von Eberhard Fehre Düsseldorf (ots) - Natürlich ist Kardinal Meisner kein Nazi, obwohl sein schon merkwürdiger Hang zur Provokation ihn gelegentlich und wohl nicht zufällig in gefährliche Nähe zum braunen Jargon führt. Und selbstverständlich hat der Kirchenmann auch das Recht, Umstrittenes bis hin zum Unfug zu äußern - unsere Politiker tun das schließlich auch. Bedenklich aber wird dies, wenn es zum Markenzeichen zu werden droht. Wenn Meisner die Stammzellforscher an der Uni Köln als "Kannibalen vom Rhein" beschimpft, Abtreibung als "Holocaust" bezeichnet mehr...
- Lausitzer Rundschau: Die Bahnreform und die Bundesländer Am Osten vorbei Cottbus (ots) - Es war bezeichnend, dass gestern zwei Verkehrsminister aus den neuen Ländern in dem Trio zu finden waren, das ein überaus kritisches Gutachten zu den Privatisierungsplänen für die Bahn vorstellte. Denn tatsächlich ist diese Reform gerade für die wesentlich weniger besiedelten Flächenstaaten im Osten der Republik eine große Gefahr. Sie wird jetzt ausgerechnet von dem Minister vorangetrieben, der nicht nur für den Verkehr, sondern auch noch für den Aufbau Ost verantwortlich ist. Der hat sich heillos in dem Ehrgeiz verstrickt, mehr...
- Lausitzer Rundschau: Anhaltende Debatte um die Terrorgefahr Albtraum und Realität Cottbus (ots) - Eltern haben manchmal Albträume, in denen ihre Kinder ertrinken, entführt oder gequält werden, und in denen sie verzweifelt versuchen, ihre Sprösslinge zu retten. Solche Träume sind ganz normal, sie zeigen den Schutzinstinkt. Man sollte sie jedoch nicht für Realität halten. Offenbar träumt so auch der Verteidigungsminister. Eine gekaperte Passagiermaschine im Terroranflug auf ein voll besetztes Stadion. Oder auf ein Atomkraftwerk. Das ist sein düsteres Szenario. Die Maschine abschießen oder nicht, das ist die Frage. Franz mehr...
- Ostsee-Zeitung: OSTSEE-ZEITUNG (ROSTOCK) zu Schäuble/Jung/Terror Rostock (ots) - Es ist ein Terror der besonderen Art, dem sich Millionen unschuldiger Bundesbürger derzeit ausgesetzt sehen: kein Tag ohne neue Anschlags-Warnungen. Keine Nachrichtensendung ohne Forderungen nach schärferen Methoden im Kampf gegen den unsichtbaren Feind. Ginge es nur um die Lufthoheit an den Stammtischen, hätte das Kräftemessen der Sicherheitsexperten Jung und Schäuble vielleicht Unterhaltungswert. Spätestens aber nach den vereitelten Anschlägen in Deutschland darf man von Bundesministern mehr Verantwortung in der öffentlichen mehr...
- Rheinische Post: Debatte über Abschuss nötig Düsseldorf (ots) - Von Gregor Mayntz Der Fall fordert die Reflexe geradezu heraus: Das Grundgesetz verbietet laut Verfassungsgericht den Abschuss von Flugzeugen voll mit unschuldigen Menschen. Verteidigungsminister Franz Josef Jung sagt, er werde den Abschussbefehl zur Not trotzdem geben. Also kann man sich nur an den Kopf fassen, den Minister zur Ordnung rufen, oder am besten gleich seinen Rücktritt fordern. Man kann sich aber auch vorstellen, welche Debatte wir hätten, wenn ein entführter Jet in ein Fußballstadion gesteuert worden mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|