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LVZ: Zähe Zwillinge

Geschrieben am 21-10-2007

Leipzig (ots) - Von Olaf Majer
Noch ist Polen nicht verloren - heißt es in der gefühlsreichen
Nationalhymne unseres Nachbarn. Glaubt man dagegen der Polemik des
Wahlk(r)ampfes, so steht das Land zwischen Neiße und Bug schon nahe
am Abgrund.
Zur Schicksalswahl hochstilisiert, beschwor der regierende
Grobmotoriker Jaroslaw Kaczynski das alte polnische Trauma von den
mächtigen Feinden Deutschland und Russland. Der Teufel ist schnell im
Spiel, wenn Liberale sich dem Fegefeuer Euro-Einführung nähern oder
gar Brücken zum Erzfeind hinter der Oder suchen. Ähnlich
holzfällerartig schlug die Gegenseite um Donald Tusk zu. "PiS ist
peinlich" plakatierte bedingt einfallsreich das Anti-Kaczynski-Lager.
Laut wurde gelästert über einen Ödipus-Premier, der mit Katze Alik
bei Muttern lebt und sein Gehalt auf Muttis Konto bunkert - sicher
ist sicher.
Angesichts des Misstrauens, dass der Kontrollneurotiker Kaczynski als
Amtsstil zelebriert, grenzt es fast an ein Wunder, dass die Polen
überhaupt wählen durften. Doch selbst wenn nun das bürgerliche
Tusk-Lager die neue Regierung bildet: Auf das Altenteil werden sich
die zähen Zwillinge nicht so leicht schieben lassen. Die Drohung,
Bruder Lech Kaczynski könnte als Staatspräsident von seinem Vetorecht
reichlich Gebrauch machen, ist wohl kein verspäteter Aprilscherz. Man
stelle sich vor: Lordsiegelbewahrer Lech als Prellbock gegen jede
Kurskorrektur - an der Weichsel wäre das Chaos perfekt.
Ohnehin haben zwei Jahre Zwillings-Regentschaft gereicht, das
Geburtsland von Solidarnosc und Wende-Papst gründlich zu verändern.
Polen im Aufbruch - das war gestern. Verhandlungen mit den eineiigen
Humorbremsen gelten heute als so angenehm wie ein Zahnarztbesuch.
Polen zuerst - mit diesem national-tönenden Rumpel-Stil wurde das
Land zuletzt auf EU-Ebene nur noch als Nervensäge wahrgenommen. Viel
Arbeit also für die neue Regierung, das zerdepperte Porzellan zu
kitten.
Das mit einer diffusen Angst vor allem Fremden Wahlen zu gewinnen
sind, zeigt neuerdings auch die Schweiz. Zwischen Alphörnern und
Milka-Kuh schien bislang kaum Platz für politische Hallodris. Bis
Poltergeist Christoph Blocher begann, gegen Einwanderungsflut und
kriminelle Ausländer zu polemisieren. Blocher hat dabei leichtes
Spiel. Der Bauernfänger nimmt Stimmungen auf und besetzt Reizthemen,
wo die etablierten Schweizer Parteien vor lauter Kollegialität lieber
die Augen verschließen. Eine Koalition der Verlierer, um Blocher doch
noch auszubremsen und in die Opposition zu schicken, wäre jedoch
fatal. Damit würde der Rechtsausleger in der politischen Opferrolle
weiter wachsen, die er längst für sich reserviert hat.
Betet, freie Schweizer, betet! - fleht die Hymne der Alpenrepublik.
Es kann nie schaden, höheren Beistand zu suchen, auch wenn Blochers
ganz großer Triumphzug ausblieb. Die stolz gepriesene
Konsensdemokratie der Eidgenossen jedenfalls erinnert inzwischen eher
an einen löchrigen Schweizer Käse.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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