Südwest Presse: LEITARTIKEL: Polen Der Spuk ist aus
Geschrieben am 22-10-2007 |
Ulm (ots) - Aufatmen - nicht nur in Polen. Nach fast zwei Jahren haben die Polen dem Spuk einer "Vierten Republik" ein Ende bereitet und die Regierung von Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski aus dem Amt gefegt. Jahre mit zahlreichen Affären - angeheizt auch durch die exzentrischen Koalitionspartner Samobroona und Liga polnischer Familien -, sind damit zu Ende. Es war eine Zeit voller Verschwörungstheorien und rechtsstaatlich fragwürdiger Methoden, die sozialistische Vergangenheit aufzuarbeiten. Vieles, was die nationalkonservative Regierung in den vergangenen Monaten aufgegriffen oder diskutiert hat, löste im Ausland Entsetzen aus, sei es die Dikussion über die Einführung der Todesstrafe oder das rigide Vorgehen gegen Homosexuelle. Doch nicht alles war schlecht. So wurde unter der Regierung Kaczynski auch der ernsthafte Versuch unternommen, die Korruption in die Schranken zu weisen. Diese Leistung ging in der Bewertung oftmals unter. Denn die Kaczynskis haben mit ihren Phobien und ihrem ausgeprägten Machttrieb das Land polarisiert und gespalten. Der neuen Mannschaft um den konservativ liberalen Wahlsieger Donald Tusk fällt nun die Aufgabe zu, die Lager zu einen. Leicht wird das nicht. Doch Donald Tusk kann auf eine Gesellschaft bauen, die in den vergangenen 24 Monaten Lehrgeld zahlte. Dass eine Demokratie ohne Demokraten nicht funktionieren kann, haben gerade jene westlich orientierten, städtischen Aufsteiger und Nutznießer des Systemwandels erfahren, denen 2005 die private Welt wichtiger war als der Gang zur Wahlurne. Durch Ignoranz und Stimmenthaltung haben sie die reaktionären Kacyznskis erst stark gemacht. Der Wahlsieg der Rückwärtsgewandten ging mit auf ihre Kappe. Das hat sich am Sonntag nicht wiederholt. Bei einer für Polen sensationell hohen Wahlbeteiligung statteten die Wähler die Bürgerplattform von Donald Tusk mit einem soliden Vorsprung aus. Der 50- Jährige konnte in den letzten Tagen vor der Wahl überraschend stark mobilisieren; nicht nur durch Witz und Offenheit, sondern auch durch eine klare Botschaft. Tusk will ein wirtschaftsliberales Land, das offen ist für ausländische Investoren. Er steht für ein konservatives Werteverständnis, das in der Korruption ein Übel sieht, er will Polen aus der selbstverschuldeten Isolation in Europa führen und gut nachbarschaftliche Beziehungen mit Deutschland pflegen. Erst diese Positionierung hat Tusks Plattform als Alternative zu Kaczynskis PIS sichtbar gemacht. Man sollte sich aber nicht täuschen lassen. Die neuen Mehrheitsverhältnisse im polnischen Parlament werden aus dem sperrigen Nachbarn keine gefügige Marionette machen. Dafür ist Tusks proeuropäische Ausrichtung zu jung und die abgestrafte PIS in der Opposition als zweitstärkste Partei zu stark. Es sprechen aber auch Sachfragen dagegen. Das Unbehagen der Polen gegen die enge deutsch-russische Energieallianz ist keine Erfindung der Kaczynskis. Die Vorbehalte gegenüber den großen Nachbarn im Westen und im Osten wurzeln tief. Ebenso das Unbehagen vor einer Umdeutung der Geschichte, wie es mit dem Thema Vertreibung verbunden ist. Donald Tusk wird dem Rechnung tragen müssen. Dafür werden auch die Sperrfeuer aus dem Präsidentenpalast sorgen. Auch wenn ein Kaczynski am Sonntag abgewählt worden ist, bleibt der zweite noch mindestens bis zum Jahr 2010 im Amt. Lech Kaczynski, das Staatsoberhaupt, wird in den kommenden Monaten beweisen müssen, dass er ein Präsident aller Polen ist und nicht der verlängerte Arm eines in die Opposition verbannten Premiers.
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