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Stuttgarter Zeitung: IG-Metall-Chef Berthold Huber sagt der Regierung noch mehr Proteste im nächsten Jahr voraus und reagiert "mit Empörung" auf den von der Kanzlerin angekündigten strikten Reformkurs

Geschrieben am 03-10-2010

Stuttgart (ots) - IG-Metall-Chef Berthold Huber übt massive Kritik
an der Bundesregierung und kündigt weitere Proteste im nächsten Jahr
an. "Wir werden nicht aufhören, sondern nach dem Herbst
weitermachen", sagte er im Interview der "Stuttgarter Zeitung"
(Montag). Die Bundesregierung zeige wenig Bereitschaft, notwendige
Folgerungen aus der schwersten Weltwirtschaftskrise nach 1945 zu
ziehen. Wenn sie ihre Politik des ,Weiter so' wie vor der Krise
betreibe, ohne deren Ursachen anzugehen, werde die Gewerkschaft zudem
"die Wähler bei den nächsten Wahlen auffordern, das nicht zu
vergessen". Denn dieser Weg könne schnurstracks in die nächste Krise
führen.

Scharf reagierte Huber auf die Ankündigung von Kanzlerin Angela
Merkel (CDU), einen strikten, konservativ-liberal geprägten
Reformkurs einzuschlagen und dabei Kontroversen in Kauf zu nehmen:
"Das verursacht eher Empörung als Sorgen", sagte er. Natürlich werde
das nicht unwidersprochen bleiben. "Politik muss die Probleme und
Sorgen der Menschen ernst nehmen und darf nicht - wie die Kanzlerin -
kalt sagen: Wir wurden dafür gewählt, zu handeln."

Ob damit weitere Härten für die Arbeitnehmer verbunden seien,
hänge auch davon ab, ob die Union die Kraft habe, sich gegen die
Klientelpolitik der FDP zu behaupten. "Das kann ich derzeit nicht
erkennen", sagte Huber. Aber es gebe nicht unwesentliche Teile der
Union, denen die Klientelpolitik sehr suspekt sei. "Da beziehe ich
ausdrücklich manche auf der Arbeitgeberseite ein, die treue
Unionisten sind und die das auch nicht mit ungeteiltem Beifall
sehen."

Die Versuche von SPD-Chef Sigmar Gabriel, Korrekturen an der
bisherigen Parteilinie vorzunehmen, bewertete der IG-Metall-Chef
positiv. "Wir sehen das mit ausdrücklicher Zustimmung, dass die
Arbeitnehmer stärker in den Fokus gerückt werden sollen", sagte er.
Mit Blick auf eine mögliche Zusammenarbeit von SPD, Grünen und
Linkspartei über die Gesundheitsreform hinaus sprach er sich aber
gegen das alte Lagerdenken aus. "Für uns macht es die Sache nicht
einfacher, wenn die alten Blöcke zurückkehren". Viele Arbeitnehmer
hätten bei den vergangenen Wahlen die Union gewählt. Die IG Metall
vertrete die Interessen der Arbeitnehmer unabhängig von ihrer
Wahlpräferenz.

In der Diskussion um die Rente mit 67 präferiert Huber weiterhin
die Rückkehr zur Rente mit 65. "Das wäre mir am liebsten", sagte er.
In der verarbeitenden Industrie seien weniger als zehn Prozent der
Beschäftigten zwischen 60 und 64 Jahren noch
sozialversicherungspflichtig tätig. Es sei nicht so, dass er nicht
anerkenne, in einer älter werdenden Gesellschaft zu leben. "Aber wir
brauchen Lösungen für Menschen, die 40 Jahre in Schicht gearbeitet
haben." Er stelle sich flexible Möglichkeiten des Übergangs vor. "Es
muss auch für Menschen in einer auf den ersten Blick nicht so
belastenden Arbeit eine Chance geben, zu erträglichen Bedingungen
rauszugehen", forderte Huber. Die Kanzlerin habe ihm erklärt, dass
die Regierung im November "einen sehr transparenten, klaren und
materialhaltigen Statusbericht" vorlegen werde. "Es ist ja schon ein
gewisser Fortschritt, dass die Überprüfungsklausel zur Rente mit 67
ernst genommen wird", sagte Huber der StZ.

Originaltext: Stuttgarter Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/48503
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Pressekontakt:
Stuttgarter Zeitung
Redaktion

Telefon: 0711-7205-1220


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