Neue OZ: Kommentar zu EU / Finanzkrise
Geschrieben am 05-11-2010 |
Osnabrück (ots) - Lokomotive ohne Waggons
Verkehrte Welt. Die deutsche Wirtschaftslokomotive läuft zwar
wieder rund, aber sie zieht andere Volkswirtschaften Europas nicht
mehr mit. Deren Schuldenberge wachsen derart, dass Staatspleiten
wahrscheinlicher werden. Das Bild von der zugkräftigen Lok stimmt
nicht mehr. Wer hat vergessen, die Waggons anzuhängen?
Der Verdacht breitet sich in Europa aus, Deutschland habe sich auf
Kosten anderer Staaten saniert - die Rede ist vom "Merkel-Crash". Das
ist zynisch. Denn Deutschland erntet vor allem die Früchte harter
Reformen, die es anderswo nicht gegeben hat. Wer aber mit dem Finger
nur auf die anderen zeigt, der begeht einen gefährlichen Fehler.
Nichts wird Europa jetzt mehr schaden, als wenn es sich spaltet.
Die Volkswirtschaften sind so eng miteinander verknüpft, dass sich
die Probleme nicht trennen lassen. Geht Griechenland pleite, hängt
Deutschland mit drin. Das ist beängstigend, aber kein Grund, die
Nerven zu verlieren. Europa arbeitet hart an der Bewältigung der
Finanzkrise. Es verpasst sich eine gemeinsame Wirtschaftspolitik.
Pleitekandidaten wie Griechenland oder Irland reformieren sich
endlich. Falls das nicht reicht, wäre Berlin allerdings gut beraten,
die Bürger auf weitere Wirtschaftshilfen vorzubereiten, wie sie
Griechenland schon erhalten hat. Das ist wahrlich keine angenehme
Perspektive. Aber vielleicht die einzige Möglichkeit, um die Waggons
wieder an die Lokomotive zu koppeln.
Originaltext: Neue Osnabrücker Zeitung
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