Neues Deutschland: zu Gewerkschaften und heißer Herbst
Geschrieben am 10-11-2010 |
Berlin (ots) - Michael Sommer hatte recht: Der Herbst 2010 ist ein
heißer geworden. Nur eben nicht so, wie der DGB-Chef ihn prophezeit
hatte. Die wirklich hitzigen Auseinandersetzungen mit der
schwarz-gelben Regierung fanden - bei aller Wertschätzung für den
Protest gegen soziale Kälte am vergangenen Wochenende in Hannover -
nicht unter Führung der Gewerkschaften statt. Bürgerinitiativen in
Stuttgart und im Wendland haben in den letzten Tagen und Wochen dem
Merkel-Kabinett gezeigt, was eine Harke ist - ihr Widerstand gegen
einen unverschämt teuren Bahnhof oder die noch unverschämtere
Laufzeitverlängerung für AKW brachte Tausende auf die Straße und
Millionen Sympathisanten an die Bildschirme. Die vollmundig
angekündigten massiven Sozialproteste gegen die Rente mit 67, die
Gesundheitsreform und Billiglöhne laufen indes unter ferner liefen -
und dürften die Regierenden wenig schrecken. Das mögen die
Organisatoren als ungerecht empfinden, schuldlos aber sind sie daran
nicht. Solange die Gewerkschaften sich zu einem Schulterschluss aller
Gebeutelten im Lande nicht entschließen können, sich nach wie vor von
Arbeitslosenverbänden abgrenzen, Hartz-IV-Verschlimmbesserungen nicht
ernsthaft als ihr Thema entdecken, gelten sie vielen nicht als Garant
für Veränderungen. Aber die Zeiten der Sozialpartnerschaft sind
längst vorbei - mit lauwarmem Protest auf der Basis alter Rituale
lockt man heute nur wenige hinterm Ofen hervor.
Originaltext: Neues Deutschland
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