Was trieb die Justizministerin bei ihrer Zustimmung zu längeren AKW-Laufzeiten?
Geschrieben am 11-11-2010 |
Berlin (ots) -
Pressemitteilung
Mit erstaunlicher Begründung lehnt Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) Akteneinsichtsbegehren der
Deutschen Umwelthilfe ab - Angeblich "Funktionsfähigkeit der
Bundesregierung" gefährdet - DUH legt Widerspruch ein - Kehrtwende
von Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger bei Laufzeitenfrage nach
wie vor im Dunkeln - Druck von Parteichef Westerwelle entscheidend?#
Eine unvermittelte Kehrtwende von Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vor der Entscheidung über die bis
zu 14-jährige Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke gab
von Anfang an Rätsel auf. Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)
verlangte Aufklärung auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes,
IFG. Nun hat die Ministerin das DUH-Begehren mit der Begründung
abgelehnt, im Fall der Herausgabe der Akten bestehe die "Gefahr einer
Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Bundesregierung". Die DUH
legt Widerspruch ein und will notfalls die Gerichte bemühen. Es geht
um eine bisher ungeklärte Merkwürdigkeit im an Merkwürdigkeiten nicht
raren Entscheidungsprozess der Bundesregierung zu den
Reaktorlaufzeiten.
Im Einzelnen: Mitte August hatte sich das Justizministerium auf
maximal zwei Jahre und vier Monate als "moderate" und in der
Konsequenz nicht im Bundesrat zustimmungspflichtige
Laufzeitverlängerung der alternden Meiler festgelegt. Zwei Wochen
später jedoch stimmte die Verfassungsministerin plötzlich einer
Laufzeitverlängerung von bis zu 14 Jahren zu - also einer immerhin
sechsmal längeren Frist. "Wir wollen wissen, was Frau
Leutheusser-Schnarrenberger zu diesem spektakulären Kurswechsel
veranlasst hat", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. "Gab es
eine neue verfassungsrechtliche Bewertung in ihrem Haus? Dann muss es
dazu Akten geben." Nach der Wende im Justizministerium hatte es in
der Öffentlichkeit Spekulationen gegeben, die Ministerin, die nicht
als glühende Verfechterin der Laufzeitverlängerung galt, sei von
ihrem Parteivorsitzenden, Außenminister Guido Westerwelle, unter
Druck gesetzt worden.
Einerseits argumentiert das BMJ nun in seinem Ablehnungsbescheid des
DUH-Begehrens, die Vorbereitung einer Gesetzesvorlage sei nicht
Verwaltungs-, sondern Regierungstätigkeit und unterliege deshalb
nicht dem Informationsfreiheitsgesetz. Dies sei "mit dem Willen des
Gesetzgebers schwerlich vereinbar", erklärt dazu die DUH und zitiert
aus der Gesetzesbegründung Eindeutiges: "Die Vorbereitung von
Gesetzen in den Bundesministerien als wesentlicher Teil der
Verwaltungstätigkeit fällt ebenfalls in den Anwendungsbereich des
Informationsfreiheitsgesetzes".
Andererseits sei die "Funktionsfähigkeit der Bundesregierung"
gefährdet, argumentiert das BMJ weiter, weil der so genannte
"Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" berührt werde. Dabei
handelt es sich um jenen ungeschriebenen verfassungsrechtlichen
Ausnahmegrund, der auch für die Nachforschungen parlamentarischer
Unersuchungsausschüsse tabu ist. Deshalb prüft die DUH in ihrem
Widerspruch, ob die von ihr begehrten Dokumente im Rahmen eines
solchen Ausschusses offenbart werden müssten. Klares Ergebnis: Ja,
sie müssten. Denn die Gesetzesvorbereitung ist nach einschlägigen
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nur in
laufenden Verfahren geschützt, nicht aber wenn sie abgeschlossen
sind. Das ist aber hier der Fall, denn nach dem Kabinettsbeschluss
vom 28. September übergab die Bundesregierung die Gesetzesvorlage zur
Laufzeitverlängerung (Elftes Änderungsgesetz zum Atomgesetz)
ausdrücklich als so genannte Formulierungshilfe den Fraktionen von
Union und FDP. Für die Bundesregierung war das Verfahren damit
abgeschlossen und allein der Deutsche Bundestag als Legislative
entschied über die Zukunft der Altreaktoren. Bezeichnenderweise lässt
es das BMJ in seinem Ablehnungsbescheid auch an jeglicher, nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebotenen
Einzelfallprüfung fehlen. Die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit
der Regierung wird pauschal behauptet, aber in keiner Weise unter
Bezugnahme auf die konkret von der DUH angefragten Dokumente geprüft.
Das ist mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vereinbar.
"Insgesamt ist die Ablehnung der Einsichtnahme juristisch schwer
nachvollziehbar", erklärt die Leiterin Energiewende und Klimaschutz
der DUH und Autorin des Widerspruchs, Rechtsanwältin Cornelia Ziehm.
"Die Akten müssten einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss
vorgelegt werden und das ist der Maßstab auch für
Informationsbegehren auf der Grundlage entsprechender
Informationsgesetze".
Jenseits der juristischen Auseinandersetzung sei es "sehr bedenklich,
dass die Bundesregierung sich mit Händen und Füssen gegen die
Offenbarung von Entscheidungen wehrt, die doch angeblich von hoher
Sachlichkeit geprägt waren. Man fragt sich: Was gibt es da zu
verbergen?". Ausdrücklich weist Ziehm darauf hin, dass auch
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) der Regierung vorgeworfen
habe, die Entscheidung über die Laufzeitverlängerung sei eben gerade
nicht durch sachliche Argumente begründet, sondern entspringe einem
Verhandlungsprozess. Lammert habe auch keine Zweifel gelassen, dass
er die Atomgesetznovelle für zustimmungspflichtig halte.
Den DUH-Widerspruch an das Jusitzministerium finden sie unter
http://www.duh.de/uploads/media/BMJ_Widerspruch_111110.pdf
Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2
Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Mobil: 0151 55016943, Tel.: 030 2400867-0,
E-Mail: baake@duh.de
RA´in Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Energiewende und Klimaschutz,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0,
Mobil: 0160 94182496, E-Mail: ziehm@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0, Fax: 030 2400867-19,
Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
300334
weitere Artikel:
- Der Tagesspiegel: CDU-Ministerinnen wenden sich bei Parteitag gegen PID-Verbot Berlin (ots) - Berlin - Beim CDU-Parteitag in Karlsruhe wollen nun
auch die Gegner eines PID-Verbots Flagge zeigen. "Die
Präimplantationsdiagnostik (PID) sollte für Fälle von schwerer
erblicher Vorbelastung der betroffenen Eltern in den vom
Bundesgerichtshof gezogenen Grenzen weiter zulässig bleiben", heißt
es in ihrem Antrag, der dem Berliner "Tagesspiegel" vorliegt. Die
PID, so die Begründung, diene "dem Schutz des ungeborenen Lebens und
dem Schutz der Mutter vor schwerwiegenden
Schwangerschaftskonflikten". Unterzeichnet haben mehr...
- Ulla Jelpke: Einsatz französischer Spezialeinheiten beim Castor belegt Eskalationswillen der Bundesregierung Berlin (ots) - "Bundesinnenminister de Maizière muss umgehend
offenlegen, ob es ein deutsches Amtshilfeersuchen für den
Prügel-Einsatz ausländischer Polizeikräfte gegen die
Castor-Protestierer gegeben hat", fordert die innenpolitische
Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke. "Diese Art der
europäischen Zusammenarbeit richtet sich ganz eindeutig gegen die
Demokratie und die Bevölkerung." Jelpke weiter:
"Bewaffnete französische Polizeibeamte haben beim Castor-Transport
mitgeprügelt. Film- und Fotoaufnahmen zeigen, wie mehr...
- Rosemarie Hein: Ganztagsschulen haben sich bewährt Berlin (ots) - "Im Großen und Ganzen hat sich das Konzept der
Ganztagsschule bewährt, ihre Einführung war ein richtiger Impuls für
die Weiterentwicklung der Bildungslandschaft", erklärt Rosemarie Hein
zur heute in Berlin vorgestellten Studie "Ganztagsschulen:
Entwicklung und Wirkungen 2005 bis 2010 (StEG)". Die Sprecherin für
Allgemeine Bildung der Fraktion DIE LINKE fährt fort:
"Mit der Bundesfinanzierung für Ganztagsschulen wurde vor Jahren
ein wichtiger Startschuss gegeben. Viele Schulen wurden auf diese
Weise saniert, mehr...
- Pro Generika zum Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz / "Chance vertan" Berlin (ots) - Zum heute verabschiedeten
Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) erklärt der
Branchenverband Pro Generika:
"Die Politik hat mit dem AMNOG die Chance vertan, die
Therapiesicherheit zu stärken und verlässliche Rahmenbedingungen für
die Generikahersteller in Deutschland zu schaffen. Die Gesetzliche
Krankenversicherung (GKV) ist jetzt gefordert, das Gesetz mit
Augenmaß umzusetzen.
Da es nach Inkrafttreten des AMNOG für den Austausch eines
verordneten Medikaments durch ein Rabattarzneimittel ausreicht, mehr...
- Mitteldeutsche Zeitung: Kundus-Affäre Kanzlerin Merkel muss im Januar vor den Untersuchungsausschuss Halle (ots) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) muss im Januar im
Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen. Das berichtet
die in Halle erscheinende "Mitteldeutsche Zeitung" (Freitag-Ausgabe).
Der entsprechende Beschluss des Ausschusses erfolgte am
Donnerstagmittag und geht auf Initiative der Grünen zurück. Die
Vernehmung wird voraussichtlich am 15. Januar stattfinden. Neben
Merkel muss auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier
aussagen, der während des Luftangriffs von Kundus vom 4. September
2009 mit bis mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|