Westdeutsche Zeitung: Die Probleme des Gesundheitswesens sind noch nicht gelöst - Eine Reform mit begrenzter Haltbarkeit Ein Kommentar von Martin Vogler =
Geschrieben am 12-11-2010 |
Düsseldorf (ots) - Ist das die bahnbrechende Reform, die das
Gesundheitssystem zumindest für ein paar Jahre retten wird? Mit
diesem gewaltigen Anspruch war die Koalition angetreten, muss sich
folglich an ihm messen lassen. Doch was gestern verabschiedet wurde,
beinhaltet zwar einige konstruktive Ansätze, das große Reformziel
wurde aber verfehlt. Den radikalen Systemwechsel, den Kritiker
unterstellen, bedeutet es ebenfalls nicht.
Besonders unzufrieden dürfte die wichtigste Gruppe sein, die der
gesetzlich Versicherten nämlich. Denen geht es an den Geldbeutel -
und das voraussichtlich in drei Stufen: Wer zum Beispiel 3000 Euro
verdient, muss monatlich neun Euro mehr an seine Krankenkasse zahlen.
Das wird keinen Arbeitnehmer freuen, übrigens auch keinen
Arbeitgeber, für den die gleiche Steigerung gilt. Doch der größere
Ärger wird folgen, wenn künftige Beitragserhöhungen allein von den
Versicherten getragen werden müssen und zudem mehr Kassen
Zusatzbeiträge verlangen. Der Beschluss von gestern beinhaltet also
das Potenzial, die Mehrzahl der Bürger gleich dreimal zu verärgern.
Mit Blick auf die nächste Wahl lässt das für die Regierungsparteien
nichts Gutes ahnen. Und damit wäre auch die Reform schon gekippt, wie
es die Opposition für den Fall einen Machtwechsels angekündigt hat.
Allerdings wäre auch eine Rücknahme der Beschlüsse keine gute
Lösung. Denn in der Gesundheitspolitik kann es nicht so wie bisher
weitergehen. Und wenn die Opposition glaubt, mit Kostendämpfung zu
Lasten der Ärzte und der Pharmaindustrie wesentliche Erfolge zu
erzielen, täuscht sie sich. Damit ließen sich die weiteren
Steigerungen der Gesundheitskosten bestenfalls geringfügig
abschwächen. Denn das Problem ist grundsätzlicher Natur:
Glücklicherweise leben wir immer länger. Das bedeutet aber, dass der
Anteil derer steigt, die keine oder nur geringe Kassenbeiträge zahlen
und gleichzeitig mehr Leistungen empfangen. Außerdem ist unsere
medizinische Versorgung viel besser als vor einigen Jahrzehnten, doch
auch das hat seinen Preis.
Das Gesundheitssystem benötigt folglich eine echte Reform, bei der
auch mehr Eigenverantwortung eine Rolle spielen kann. Leider erfüllen
weder die Regierungslösung noch die Alternativvorschläge diesen
Anspruch.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung
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