Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu: Deutsch ins Grundgesetz
Geschrieben am 17-11-2010 |
Bielefeld (ots) - Mit derselben Regelmäßigkeit, mit der das
Ungeheuer von Loch Ness auftaucht, steigt die Forderung, Deutsch
gehöre ins Grundgesetz, an die Oberfläche. Die Klausel »Die Sprache
in der Bundesrepublik ist Deutsch« allerdings, jener jetzt erneut von
einigen CDU-Politikern gewünschte Zusatz zum Artikel 22 des
Grundgesetzes, ist ebenso unscharf wie alle Nessie-Fotos. Was auch
hätte die Gemeinschaft der Deutsch Sprechenden, was hätte die
Republik mit einem solchen Zusatz erreicht? Die Befürchtung, deutsche
Bürger, von einigen verschlossenen Migrantenzirkeln abgesehen,
könnten im Alltag jemals anders als auf Deutsch kommunizieren, ist
schlicht grotesk. Dafür muss nicht eigens das Grundgesetz bemüht
werden. Mehr noch: Der Umgang der Bundesbehörden mit den Bürgern
erfolgt ganz offiziell auf Deutsch, denn Paragraph 23 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes stellt klar: »Die Amtssprache ist
deutsch.« Der gleiche Satz findet sich auch in anderen
Gesetzeswerken. Kein Grund zum Aktionismus also. Die Argumente für
Deutsch im Grundgesetz fahren denn auch auf intellektuellen
Nebenstrecken. Natürlich darf man sich darüber aufregen, dass der
englische Krake nach unserer Muttersprache greift. Der Service Point
der Bahn AG ist lächerlich, und der Versuch der deutschen Polizei,
Unfallstellen in der Nacht mit dem Power Moon auszuleuchten, erregt
bloß Mitleid. Aber diese Beispiele zeigen nur, dass die deutsche
Sprache in die Köpfe einziehen muss, nicht in einen juristischen
Kodex. Was würde sich denn ändern, wenn die Gruppe der CDU-Politiker
Gehör fände? Müsste fortan, unter Strafandrohung, die Polizei einen
»Kraftmond« installieren? Würde die Bahn wegen ihrer Anglizismen vor
Gericht geladen? Kehrte womöglich der »große Bruder« zurück, um all
jene Bürger zu observieren, die unserer schönen Sprache Gewalt antun?
Denglisch kommt, Denglisch geht auch wieder. Die Unfähigkeit
hingegen, einen Sachverhalt angemessen in Worte zu kleiden - die
bleibt. Der Wortschatz schmilzt in dem Maße, wie die fahle Sonne des
Neusprech auf ihn scheint. Der grammatisch einwandfrei konstruierte
Satz wird zur raren Kostbarkeit. Und das soll Artikel 22 kurieren?
Wenig glaubhaft. Trotzdem soll offensichtlich die billig zu habende
Maßnahme (eine Parlamentsentscheidung würde ja reichen) das mühsame
Gegensteuern gegen den sprachlichen Schlendrian ersetzen. Aber die
Politik soll nicht am Grundgesetz herumdoktern, sie soll ein Klima
schaffen, in dem Eltern ihren Kindern vorlesen. Jeden Abend. Ein
Klima, in dem die Kinder statt vor den Bildschirm in die Buchläden
eilen. Woche für Woche. Das wäre zumindest ein Anfang. Deutsch in
allen Köpfen und in den Herzen, nicht im Paragraphendschungel - und
die deutsche Sprache könnte strahlend schön erblühen.
Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
301510
weitere Artikel:
- Lausitzer Rundschau: Das kleinere Übel Bundesregierung hält an Rente mit 67 fest Cottbus (ots) - Der Streit um die Rente mit 67 scheint sich auf
die Deutung von Statistiken zu reduzieren. Regierung und Opposition
operieren mit offiziellen Zahlen - und ziehen gegensätzliche
Schlüsse. Dass es zu diesem Verwirrspiel kommen konnte, ist den
Ängsten vor der eigenen politischen Courage geschuldet. Als die große
Koalition 2007 mit der schrittweisen Anhebung des
Renteneintrittsalters um zwei Jahre eine denkbar unpopuläre
Entscheidung traf, suchte sie gleichzeitig die Kritiker mit einem
Placebo im Kleingedruckten zu mehr...
- Lausitzer Rundschau: Ende der Sicherheits-Naivität Zur Terrorwarnung gegen Deutschland Cottbus (ots) - Wer angesichts der Terrorwarnung des
Innenministers jetzt in Panik verfällt, muss geglaubt haben,
Deutschland sei eine Insel des Friedens. Doch unser Land war immer
schon im Visier des Terrors. Erinnert sei an die Kofferbomber von
Dortmund und Koblenz oder an die Sauerlandgruppe. Erinnert sei auch
an den Anschlag von Djerba, der deutschen Touristen galt. Die
Terroristen haben auch dem Leben der Deutschen den Krieg erklärt. Die
Deutschen haben diese Kriegserklärung bisher jedoch verdrängt. Das
war möglich, weil mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Bergbau / Kohle / Kabinett Osnabrück (ots) - Unschöner Geruch
Ausstieg aus dem Ausstieg: Was die Bundesregierung bei der
Kernenergie praktiziert, will sie bei der Kohle unter allen Umständen
vermeiden. Deshalb haftet dem Vorhaben, den für 2018 geplanten
Steinkohle-Subventionsausstieg ohne weitere Überprüfung zu
vollziehen, der unschöne Geruch eines Handels mit Brüssel an.
Jetzt erschließt sich eine Logik, die hinter der EU-Drohung
steckte, die deutschen Kohlesubventionen schon in vier Jahren zu
verbieten. Denn genau mit dieser Drohung wurde Druck mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Rente / Arbeitsmarkt / Kabinett Osnabrück (ots) - Bewährungsprobe
Welch große Worte: "Aufbruch in die altersgerechte Arbeitswelt"
titelt die Regierung und versucht so, gute Stimmung für die Rente mit
67 zu machen. Doch so klar, wie Ursula von der Leyen es darstellt,
liegen die Dinge nicht. In der Bewertung des Arbeitsmarktes
beschränkt sie sich allzu sehr auf die positiven Aspekte. Zwar gibt
es erfreulicherweise eine positive Tendenz bei der Beschäftigung
älterer Frauen und Männer; doch ist dabei zu berücksichtigen, dass
die Vergleichszahlen sehr niedrig mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Frankreich / Regierung / Sarkozy Osnabrück (ots) - Vorsicht vor dem Freund
Wenn Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy davon spricht, sich am
deutschen Steuersystem orientieren zu wollen, dann ist das kein Grund
für Schulterklopfen in Berlin. Selbst in einem Anflug größter
Freundschaft würde Sarkozy das deutsche System wohl nicht als
Beispiel für Transparenz und Gerechtigkeit nennen. Sarkozy denkt an
Frankreich - und an sich.
Reformen sind in Frankreich so nötig wie in fast allen Ländern
Europas. Populär sind die angedachten Maßnahmen nicht. Ebenso wie mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|