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Westdeutsche Zeitung: Kachelmann-Freispruch mit vielen Verlierern = von Peter Kurz

Geschrieben am 31-05-2011

Düsseldorf (ots) - Die Wahrheit im Fall Kachelmann kennen nur zwei
Menschen: Kachelmann selbst und seine ehemalige Lebensgefährtin. Ein
Teil der Öffentlichkeit hingegen glaubte sie schon vor und während
des Prozesses zu kennen. Die Vor-Urteile waren längst gefällt. Die
Unschuldsvermutung während des Verfahrens oder ein "im Zweifel für
den Angeklagten" - solche Kategorien schien es für das öffentliche
Tribunal nicht zu geben. Das Gericht hingegen musste sich nach dem
ergebnisoffenen Ende des Strafverfahrens an den Grundsatz "im Zweifel
für den Angeklagten" halten. Dieses Ergebnis durch die Bezeichnung
"Freispruch zweiter Klasse" zu relativieren, wird der Sache nicht
gerecht. Zwar könnte es so sein, dass Kachelmann entgegen dem
Freispruch doch Täter war - dann wäre der Freispruch tatsächlich eine
Niederlage für die Gerechtigkeit. Aber umgekehrt wäre die Niederlage
für die Gerechtigkeit noch viel größer gewesen. Wenn Kachelmann
nämlich "auf Verdacht, aus dem Bauch heraus" verurteilt worden wäre,
er in Wahrheit aber unschuldig ist. Sich hier für den Angeklagten zu
entscheiden, ist richtig. "Im Zweifel für den Angeklagten" ist ein
Pfeiler unseres Rechtsstaats. Aber auch der juristisch korrekte
Freispruch kann nicht verdecken, dass das Verfahren nur Verlierer
kennt. Allen voran den Freigesprochenen selbst, dessen Image durch
das Offenlegen intimster Details seines Privatlebens mehr als nur
ramponiert ist. Und seine Ex-Lebensgefährtin, an der der Ruf hängen
bleibt, womöglich eine skrupellose Lügnerin zu sein. Eine
Staatsanwaltschaft, die nicht den Eindruck machte, objektiv zu
ermitteln. Ein Gericht, das wenig souverän agierte. Nicht zuletzt
einen Verteidiger, dem gestern nicht mal der Freispruch genügte,
sondern der auch danach noch verbal gegen das Gericht nachtrat. Und
ja, auch viele Medien, die sich zum Teil offen positionierten, sich
auf die eine oder andere Seite schlugen, Intimstes in
Exklusivinterviews ausbreiteten und dabei Persönlichkeitsrechte
missachteten, stehen mit auf der Verliererseite. Eine besonders
bittere Wirkung freilich wird das Verfahren auf Opfer sexueller
Gewalt haben. Deren Anzeigebereitschaft dürfte angesichts dieses
Prozesses und seiner Begleiterscheinungen nun weiter sinken.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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