HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zum Kosovo-Konflikt
Geschrieben am 28-07-2011 |
Hamburg (ots) - Ein Kommentar von Thomas Frankenfeld
Noch während die politische Debatte hin- und herwogt, in welcher
Weise Deutschland am geeignetsten zur Befriedung der Dauerkonflikte
in Afghanistan und Libyen beizutragen vermag, droht mitten in Europa
ein alter Brandherd aufzuflammen. Im Falle des Kosovo gilt es,
sofort, mit Geschick, aber auch Entschiedenheit zu handeln. Das
Allerletzte, was ein durch die Griechenland-Krise erschüttertes
Europa nun gebrauchen kann, ist ein neuer Krieg. Doch wie immer, wenn
politische Machtkämpfe durch uralte Mythen und allerlei irrationale
Elemente überlagert werden, ist eine Vernunftlösung schwer zu
erzielen. Das Kosovo Polje, das Amselfeld, heute Siedlungsgebiet
einer albanischen Bevölkerungsmehrheit, spielt im Gründungsmythos der
serbischen Nation eine zentrale Rolle; die dortige Schlacht des
Jahres 1389 gegen die türkischen Osmanen ist bis heute eine tiefe
Wunde in der serbischen Seele. Obwohl sie vermutlich gar nicht
verloren ging, wie beklagt wird, sondern unentschieden endete - damit
allerdings in der Folge den weiteren Vormarsch der Osmanen erlaubte.
Mehr als 70 der 193 Uno-Mitglieder haben den unabhängigen Staat
Kosovo, der gerade so viele Einwohner wie Hamburg hat, inzwischen
anerkannt - doch Serbien will die alte Wiege seiner Nation nicht
preisgeben. Der bilaterale Streit um Zollstempel als Instrument
staatlicher Souveränität wirkte zunächst operettenhaft, doch die jäh
aufgeflammte Gewalt an der Grenze zeigt, dass der 1999 von der Nato
mühsam erstickte Krieg in vielen serbischen und kosovarischen Köpfen
andauert. Der Konflikt hat zudem einige unappetitliche Elemente: den
lodernden Nationalismus und viel Korruption in Serbien sowie einen
kosovarischen Regierungschef, der unter dem Tarnnamen "die Schlange"
einst die berüchtigte Rebellentruppe UCK führte und im Verdacht
steht, dem organisierten Verbrechen nahezustehen. Das Kosovo ist
einer der Hauptumschlagplätze für harte Drogen in Europa. Wer hier
für Frieden und Ordnung sorgen will, sticht in ein Wespennest. Es
wird mehr als die bislang gut zehn Milliarden Euro
Auslands-Investitionen benötigen, um endlich Stabilität herzustellen.
Das sollte bei den EU-Erweiterungsplänen nicht aus dem Auge verloren
werden.
Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de meinung@abendblatt.de
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