BERLINER MORGENPOST: Endlich regiert
die Vernunft
Ansgar Graw über die Einigung zwischen Demokraten und Republikanern im US-Haushaltsstreit
Geschrieben am 31-07-2011 |
Berlin (ots) - Nach dem Streit ist vor dem Streit: In
sprichwörtlich letzter Minute haben die Führer von Republikanern und
Demokraten im Kongress mit Präsident Barack Obama einen Kompromiss
skizziert, damit die USA von Dienstag an noch ihre Rechnungen
bezahlen können. Vorausgesetzt, die rebellischen Tea-Party-Anhänger
in den republikanischen Reihen und die Status-quo-Verteidger im Lager
der Demokraten stimmen der Einigung zu, ist in den Nachtsitzungen
viel erreicht worden. Die Grenze für die Staatsverschuldung von
derzeit 14,3 Billionen Dollar wird angehoben, der Etat um drei bis
vier Billionen Dollar in der kommenden Dekade zusammengestrichen. Und
ebenso positiv: Eine Wiederholung des oft absurden Stellungskrieges
der vergangenen Wochen würde es bis Anfang 2012 nicht geben. Das wäre
der Standfestigkeit Barack Obamas und der Demokraten zu verdanken.
Und Washington diskutiert endlich mit dem nötigen Alarmismus und
angemessener Heftigkeit das gewaltige Staatsdefizit. Das dürfen sich
die Republikaner gutschreiben. Sie gaben in den vergangenen Wochen zu
oft der Ideologie den Vorrang vor Sachzwängen. Aber sie haben
zugleich deutlich gemacht, dass Washington den Kurs überbordender
Ausgaben nicht fortsetzen darf, will es seinen ohnehin unsicherer
gewordenen Status als globale Supermacht nicht fahrlässig aufs Spiel
setzen. Um es vorwegzunehmen: Von einem echten Kurswechsel kann noch
keine Rede sein. Auch in den nächsten Jahren werden angesichts der
hohen Arbeitslosigkeit die Ausgaben stärker steigen als die
Einnahmen. Weitere Kürzungen sind nötig. Die Republikaner müssen
neben Reformen des Steuersystems zulassen, dass der Pentagon-Etat
schrumpft, der mitunter stärker der Sicherung regionaler
Arbeitsplätze als der nationalen Sicherheit dient. Kürzungen in
anderen Bereichen des Verteidigungshaushaltes können hingegen
Kernkompetenzen der Nato gefährden. Die Nato-Verbündeten müssten
darum Washingtoner Einsparungen durch erhöhte Aufwendungen in ihren
eigenen Etats ausgleichen. Die Demokraten schließlich haben zu
akzeptieren, dass Sozialprogramme wie Medicare, Medicaid und
Social Security keine heiligen Kühe sind. Obama sprach dieser Tage
von "Betrug" und "Verschwendung" in diesen Systemen. Hier ist
anzusetzen, nicht bei einer Einschränkung des Versicherungsschutzes
für die sozial Schwachen. Doch ausgeglichene Jahresbudgets und gar
Überschüsse, die zuletzt vor dem Amtsantritt von George W. Bush 2001
zu verzeichnen waren, sind erst zu erwarten, wenn die Wirtschaft
wieder Fuß gefasst hat. Dann muss Vorrang haben, die
Staatsverschuldung zu senken. Am 6. November 2012 stehen der
Präsident, die Mitglieder des Repräsentantenhauses und ein Drittel
der Senatoren zur Wahl. Obama hat durchaus Chancen auf eine
Wiederwahl, während die Republikaner nach dem Repräsentantenhaus nun
auch noch den Senat übernehmen könnten. Ein kluger und abgeklärter
Präsident in seiner letzten Legislatur und ein zum Konflikt bereiter,
aber in sich geschlossener Kongress - für die USA und die Welt wäre
das nicht die schlechteste Lösung.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
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