Mittelbayerische Zeitung: Zum Literaturnobelpreis / Entscheidung gegen den Strom
Geschrieben am 06-10-2011 |
Regensburg (ots) - Jedes Jahr vor und auch nach der Bekanntgabe
des Literaturnobelpreises kommt es zu Diskussionen: Dieses Jahr muss
es ein Amerikaner sein, hätte es ein Afrikaner sein müssen, ein
Mongole, eine Frau... Wer Literatur liebt, dem sind solche
Proporzgedanken ein Gräuel. Die Frankfurter Buchmesse führt vor
Augen, welche Masse an Büchern auf der Welt geschrieben wird. Auch
wenn Belletristik und Poesie nur ein Teil davon sind, und Bücher von
hoher literarischer Qualität und einer Bedeutung, die sich nicht im
Lauf eines Jahres erschöpft, ein verschwindend geringer, so wird doch
deutlich, wie unmöglich es ist, den Besten der Besten mit dem
wichtigsten Literaturpreis der Welt zu küren. Von der Nobelpreis-Jury
wird der Mut erwartet, sich nicht nach Massengeschmack oder
Proporzgedanken zu richten. Schon allein der Beschluss, einen Lyriker
auszuzeichnen, ist eine Entscheidung gegen den Strom. Der Nobelpreis
für Tomas Tranströmer ist nachvollziehbar. Die Jury würdigt einen
hervorragenden Vertreter der knappen literarischen Form, einen
Dichter, den in Schweden jedes Kind kennt. Für einen Poeten ist er
ein Bestseller! In anderen Ländern ist er dagegen wohl nur
ausgesprochenen Lyrikfans vertraut. Reich-Ranickis Gebrummel, er
kenne Tranströmer nicht, spricht gegen den Literaturpapst und nicht
gegen den Auserwählten. Dessen literarische Qualität ist
unumstritten. Wenn die meisten von uns ihn nun erst kennenlernen, ist
dies in erster Linie der Nische Lyrik geschuldet. Dass das
Nobelpreis-Komitee das Augenmerk der Leser nun erneut auf diese
literarische Gattung lenkt, ist wichtig und überfällig. Hier gibt es
viel zu entdecken. Und im Fall von Tranströmer einen, der laut
Komitee "neue Wege zum Wirklichen weist".
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
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