Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Frankfurter Buchmesse
Geschrieben am 11-10-2011 |
Bielefeld (ots) - Andreas Steinhöfel hat einen Brief erhalten.
Eine Lehrerin schreibt ihm, er möge elf Dinge in seinem Kinderbuch
»Paul Vier und die Schröders« ändern, sonst tauge es nicht zur
Lektüre im Deutschunterricht. Steinhöfel hat das Ansinnen
zurückgewiesen. Gut so: Das elende Zeitalter, in dem Pädagogen über
Gut und Schlecht im Kinderbuch befanden, muss ein Ende haben. Die
Buchmesse in Frankfurt ist ein Schritt in die richtige Richtung:
Phantasie statt Zeigefinger. Ansonsten gilt: Gut ist, was sich gut
verkauft, aber im Fall der Buchmesse ist das Schöne am Kommerziellen,
dass er dem Ideellen Raum lässt. Der Beschäftigung mit ausgedachten
Welten. Dem Spaß an erfundenen Situationen. Dem ungeschützten Verkehr
mit dem Intellekt des Anderen, sagt Peter Sloterdijk. Der Leselust
eben. Vielleicht bräuchte es dafür keine eigene Messe, vielleicht
würden ja die vielen kleinen und großen Buchläden im Land reichen.
Aber hieße, zu kurz zu springen, denn erstens zentriert Frankfurt den
Blick: 400 000 Bücher auf engstem Raum gedrängt - angesichts der
schieren Zahl: wer mag da nicht hinsehen! Und zweitens stellt uns
Frankfurt immer aufs Neue einen Gast vor, von dessen Begeisterung für
das Lesen wir uns daheim anstecken lassen können. In diesem Jahr ist
es Island, ein Land, in dem, statistisch gesehen, jeder der 300 000
Einwohner acht Bücher im Jahr kauft. So sehr begeistern sich die
Isländer fürs Lesen, dass sie mit ebenso vielen Autoren (40) nach
Frankfurt reisen wie das riesige China vor zwei Jahren - und mit noch
mehr neuen Büchern (203) als China damals. Der deutsch-isländische
Schriftsteller und Übersetzer Kristof Magnusson kann die Liebe der
Isländer zum Fabulieren einfach erklären: »Wenn wir damit aufhören,
könnte die Welt vergessen, dass es uns gibt.« Prima fabuliert, aber
solange der Strom der Geschichten nicht abreißt, soll's uns nur recht
sein. Grettir aus der gleichnamigen Saga hat den Schwarzen Humor
erfunden, lange vor den Engländern. Die Sagas wimmeln von
selbstbewussten Frauen - und das 1000 Jahre vor Alice Schwarzer.
Authur die Tiefsinnige hat ein ganzes Land regiert - Angela Merkel
ist bloß eine ferne Epigonin -, und Thorbjörg die Dicke erfand die
Patchworkfamilie, das weiß in Island Hinz und Kunz. Und drittens ist
die Buchmesse wichtig, weil ja schließlich irgendjemand darüber reden
muss, wie es mit dem digitalen Buch weitergeht. Wie in Island die
Elfen um den Geysir, so tanzen in Frankfurt die Branchenvertreter um
das E-Book, und das seit Jahren. Ebenso seit Jahren findet es niemand
cool, sich mit einem elektronischen Lesegerät an den Strand zu legen
(jeder liebt sein zerfleddertes Paperback), und ebenso seit Jahren
liegt in Deutschland der Anteil der verkauften E-Books ziemlich genau
bei einem Prozent. Aber gut, dass wir in Frankfurt mal drüber geredet
haben.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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