Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
Eurozone in der Krise
Lizenz zum Gelddrucken
MARTIN KRAUSE
Geschrieben am 02-12-2011 |
Bielefeld (ots) - Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz
ungeniert. Wer einmal eine Pleite erlebte und die Hosen
herunterlassen musste, dem hilft es nichts, wenn er sich hinterher
schämt. Aber er sollte etwas ändern. Die finanziell ruinierten
Staaten von Europa würden ganz in diesem Sinne jetzt gern Geld
drucken. Wahrscheinlich bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig.
Pleitiers haben es oft schwer, neuen Kredit zu bekommen. Denn ihr
Bankrott ist eine Enteignung für die Gläubiger. Politiker wie
FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler scheinen das bisweilen zu
vergessen. Normale Firmen-Insolvenzen gehören für Banken und
Investoren natürlich ins Kalkül. Staatspleiten aber durften in der
Eurozone als ausgeschlossen gelten. Seitdem Banken gezwungen sind,
griechische Staatsanleihen abzuschreiben, ist alles anders.
Versprechen gebrochen, Vertrauen verspielt. Immer neue Rettungswege
und Notfallpläne werden der staunenden Öffentlichkeit seit Monaten
präsentiert. Der neueste Trick heißt "nationale Tilgungsfonds" und
wurde von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vorgestellt. Doch
ängstliche Anleger durchschauen alle Mätzchen und Finessen. Sie
prüfen kühl, wie realistisch die Tilgungspläne klingen. Große Chancen
dürfte die Umschichtung der Schuldenberge nach Schäubles Muster nicht
haben. Dafür fehlt die Vertrauensbasis. So wird der Ruf nach der
Europäischen Zentralbank immer lauter. Nur die Notenbank kann die
Geldmenge beliebig erhöhen: Wirft die vom Italiener Mario Draghi
geführte EZB die Notenpresse an (ganz in der Tradition italienischer
Geldpolitik, wie Spötter sagen), wird die Finanzierung der
öffentlichen Haushalte praktisch verstaatlicht. Das ist in unserem
System nicht vorgesehen, aber es tut auch nicht unbedingt weh. Der
private Finanzmarkt wird umgangen, ja. Inflation aber ist nicht
notwendigerweise die Folge, solange die Zentralbank nur in dem Ausmaß
Geld gibt, in dem die privaten Banken sich zurückziehen. Und solange
die Staaten sparsam sind. Machen wir uns nichts vor: Wann haben
Staaten ihre Sparziele schon eimal erreicht? Nicht nur in
Griechenland oder Italien, auch in Deutschland waren die meisten
Sparpläne irgendwann Makulatur. Die Befürchtung, dass die EZB über
das Ziel hinausschießen wird, liegt nahe. Die Lizenz zum Gelddrucken
ist eben allzu verführerisch. Süßes Gift. Im Prinzip aber könnte der
durch Anleihenkäufe längst eingeleitete Einsatz der EZB zum Ziel
führen. Tatsächlich erscheint er als einziger Weg, um ein unwägbar
teures Desaster, das Auseinanderbrechen der Eurozone, zu verhindern.
Wer dachte, man könne eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Haftung
haben, ist widerlegt. Die Bundesregierung darf ihre Kraft jetzt nicht
damit vergeuden, das Unvermeidliche zu verhindern. Nicht genieren:
Berlin muss gestalten. Es gilt, den Einsatz der Notenbank vernünftig
zu planen und zu zügeln. Am Ende ist sonst nicht nur der Ruf ruiniert
und das Vertrauen futsch, sondern auch der Geldwert dahin.
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News Desk
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