Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
Euro-Gipfel
Klare Kante
STEFAN SCHELP
Geschrieben am 09-12-2011 |
Bielefeld (ots) - Manchmal sind es die kleinen Anekdoten, die
Bände sprechen. So berichten Gipfel-Beobachter von einem ungarischen
Diplomaten, der sich Freitagmorgen mit der Klarstellung beeilte,
Ungarn sperre sich keineswegs gegen die Gipfel-Beschlüsse. "Wir sind
nicht Großbritannien", betonte er. Und wer will schon Großbritannien
sein? Der Außenseiter, der Spielverderber. Der Unbelehrbare.
Derjenige, der künftig nicht mehr mitredet in Europa. Und doch macht
Camerons Verhalten aus Londoner Perspektive Sinn - vordergründig. Ein
Gutteil des britischen Bruttosozialprodukts wird am Londoner
Börsenplatz "erwirtschaftet". Und dort ist europäisches Hereinreden
aus britischer Sicht eben höchst unerwünscht. Und wer in
Großbritannien will schon wissen, dass der überwiegende Anteil des
Londoner Börsengeschäfts nicht in Pfund, sondern in Euro abgewickelt
wird? Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, bekannt als "Merkozy", haben
gut daran getan, beim Gipfel klare Kante zu zeigen. Sie haben die
Krisenwerkzeuge geschärft, um in der Schuldenkrise endlich aus der
Rolle der Gejagten der Finanzmärkte herauszukommen und wieder selbst
die Richtung vorzugeben. Das war eine schwere Geburt und zugleich
eine taktische Meisterleistung des deutsch-französischen Gespanns.
Kann es wirklich sein, dass endlich (fast) alle begriffen haben
sollen, dass es lichterloh brennt in der Europäischen Union? Aber was
haben die Staats- und Regierungschefs eigentlich beschlossen?
Haushaltsdisziplin, Schuldenbremsen und automatische Sanktionen für
Defizitsünder. Die Kombination von ständigem und kurzfristigem
Rettungsschirm. Die Einbindung des Internationalen Währungsfonds. Das
Rad haben die Europa-Chefs damit wahrlich nicht neu erfunden. Kein
Wunder also, dass sofort die Kritiker auf den Plan treten, die eine
stärkere Rolle der Europäischen Zentralbank fordern. Experten, die
verlangen, dass die EZB ab einem bestimmten Zinssatz Staatsanleihen
in unbegrenztem Umfang aufkaufen soll. Gut möglich, dass wir weder an
diesem Schritt noch an den - nur von den Deutschen - ungeliebten
Eurobonds vorbeikommen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir noch
gar nicht auf dem Höhepunkt der Krise angekommen sind. Denkbar ist,
dass die Schuldenkrise doch noch auf die Realwirtschaft übergreift
und Europa in eine Rezession stürzt. Aber immerhin hat die
Europäische Union endlich unter Beweis gestellt, dass sie
handlungsfähig ist. Dies ist das wichtigste Signal. Es wird seine
Wirkung nicht verfehlen. Ausgerechnet die Briten haben ein ganz
anderes Signal ausgesandt. Ausgerechnet jenes Land, an dessen
Finanzplatz es die Hasardeure besonders toll getrieben haben. David
Cameron hat sich beeilt, zu beteuern, Großbritannien werde in der EU
bleiben. Dennoch: Wir in Europa sind nicht Großbritannien. Aber wenn
das Vereinigte Königreich nicht aufpasst, ist es schon bald nicht
mehr Europa.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
368195
weitere Artikel:
- Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
NPD-Verbot
Keine Heilung
BERNHARD HÄNEL Bielefeld (ots) - Da beißt die Maus keinen Faden ab: Die NPD ist
ein Schandfleck in der deutschen Parteienlandschaft und gehört auf
den Müllhaufen der Geschichte. Ihr tumbes völkisches Gehabe nervt
nicht nur, es ist extrem gefährlich. Diese Partei bietet Menschen
Raum, denen das Grundgesetz und die darin formulierte universelle
Würde des Menschen zuwider ist. Die Gründe für ein NPD-Verbot sind
vielfältig; jeder einzelne ist von schwerstem Gewicht. In der
aktuellen Debatte spielen sie eine nachrangige Rolle. Das spricht
dafür, dass mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Niedersachsen / Landtag / Haushalt Osnabrück (ots) - Chance vertan
Die Landesregierung hat ihren Doppelhaushalt durchgebracht und
damit richtige Akzente gesetzt - beim Ausbau der Kinderbetreuung, bei
der Steigerung der Bildungsausgaben und im Bereich der
Zukunftsinvestitionen bei Forschung und Verkehr. Doch das Zahlenwerk
ist kein Sparhaushalt. Im Gegenteil.
Das schwarz-gelbe Kabinett von Ministerpräsident McAllister
steigert die Ausgaben beträchtlich. Nur dank höherer Steuereinnahmen
kann Finanzminister Möllring die Nettokreditaufnahme verringern. Das
heißt mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Extremismus / Kriminalität / Innere Sicherheit Osnabrück (ots) - Falsch verstandener Datenschutz
Datenschutz ist ein hohes Gut. Das "Recht auf informationelle
Selbstbestimmung" wurzelt nach der Lesart des
Bundesverfassungsgerichts in der Menschenwürde, geschützt im ersten
und wichtigsten Artikel des Grundgesetzes. Das belegt, wie wichtig
das höchste deutsche Gericht den Schutz persönlicher Daten einstuft.
Die Bundesjustizministerin überzieht dennoch maßlos, wenn sie nun
mit dem Argument des Datenschutzes die geplante Zentraldatei für
Neonazis möglichst klein halten will. mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Bundespräsident / Golfregion Osnabrück (ots) - Mission im Morgenland
Auf Christian Wulff richten sich hohe Erwartungen, seit er in
seiner ersten großen Rede als Staatsoberhaupt den Dialog der Kulturen
und religiöse Toleranz zum Leitthema seiner Bundespräsidentschaft
machte. In den islamischen Ländern wird sein Credo, er wolle Mut
machen zum Fremden, mit viel Wohlwollen registriert.
So ist auch der Empfang auf seiner Reise durch die Golfregion
respektvoll und freundlich. Die bilateralen Beziehungen wirken
gefestigt. Das ist ein hohes Gut. In den Unruhen mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Europa / Finanzkrise / Gipfel Osnabrück (ots) - Keine kurzfristige Lösung
Es mag sein, dass dieser Gipfel in zehn Jahren als Weichenstellung
für den Weg aus der Krise gewertet werden wird. Genauso kann es aber
sein, dass dem Treffen der Rückfall in Zersplitterung folgt. Denn die
Beschlüsse bedeuten ja weit mehr als Rettungsschirme und Sanktionen:
Im rechtlich wie organisatorisch ohnehin kaum durchschaubaren
Konstrukt Europa wird nun das neue, höchst komplexe Vertragswerk für
eine "Fiskalunion" geschaffen.
Wer soll es formulieren? Wer kontrollieren? Und mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|