Schwäbische Zeitung: Ein kluges Urteil aus Karlsruhe - Leitartikel
Geschrieben am 28-02-2012 |
Leutkirch (ots) - Demokratie und Rechtsstaat können bisweilen
anstrengend und umständlich sein. Das Bundesverfassungsgericht hat
gestern ein Urteil gesprochen, dessen Notwendigkeit nicht sofort ins
Auge sticht. Es ging um das Innenleben der Demokratie, genauer: um
die Mechanismen, die in ihrer indirekten, repräsentativen Variante zu
gelten haben. Ist das nicht eine Luxus-Diskussion? Handelt es sich
nicht um eine theoretische Frage, die an den Ergebnissen der
politischen Entscheidungsprozesse sowieso nichts ändert? Nein.
Was die Karlsruher Richter gestern verkündet haben, berührt den
Wesenskern des politischen Systems, sein Machtgefüge. Denn dauerhaft
kann Teilhabe in der Demokratie nur funktionieren, wenn sie auch
angemessen ist. Ein Gremium von neun Abgeordneten, das
stellvertretend für 620 Abgeordnete entscheidet, welche wiederum 80
Millionen Deutsche repräsentieren, das ist - salopp formuliert -
schon ein arg kleines Häuflein. Und ein solches Konzentrat der Macht,
so sehen es die Verfassungsrichter, ist prinzipiell nicht im Sinne
des Erfinders.
Auf der anderen Seite trägt das Urteil aber der schlichten
Tatsache Rechnung, dass das Regieren in einer immer komplizierteren
Welt neue, flexiblere Reaktionsinstrumente benötigt. Die Euro-Krise
ist dafür ein gutes Beispiel. Ohne Diskretion würden den Spekulanten
im Einzelfall Ideen fürs schnelle Geschäft quasi frei Haus geliefert.
Wo schon ein lautes Nachdenken politischer Akteure Milliardenbeträge
in Bewegung setzen kann, verliert der Begriff des Mauschelns schnell
den schalen Geschmack: Es wird zur einzigen Möglichkeit, vernünftig
zu entscheiden - leider und ausnahmsweise.
Aber im Tenor des Urteils überwiegt dennoch eine deutliche
Warnung: Die parlamentarischen Mitwirkungsrechte müssen grundsätzlich
auch in heiklen politischen Lagen gelten - möglicherweise gerade
dann. Die Zeiten, in denen per Notverordnung regiert wurde, waren dem
Land auf Dauer gar nicht bekömmlich.
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