FZ: Lahmes Deutschland
Kommentar der Fuldaer Zeitung zum Koalitionsgipfel im Kanzleramt
Geschrieben am 04-06-2012 |
Fulda (ots) - An Selbstüberschätzung mangelt es dieser Regierung
wahrlich nicht. Da heißt es nach dem gestrigen Koalitionsgipfel aus
den Reihen von Union und FDP, alle Seiten sähen "gute Chancen für
eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb nach 2013". Dabei waren die
Parteispitzen augenscheinlich auseinander gegangen, ohne sich in
wichtigen Streitpunkten auch nur einen Mini-Schritt aufeinander
zuzubewegen. So wie einst Helmut Kohl Probleme einfach aussaß, ist
Merkel, Seehofer und Rösler auf dem letzten Stück der
Legislaturperiode "die gute und konstruktive Atmosphäre" offenbar
wichtiger als Entscheidungen in zentralen Fragen. Dass sich das Trio
trennte, ohne den Bürgern etwas über die Ergebnisse des Treffens
mitzuteilen, spricht Bände über die Tragweite der Beschlüsse, die da
in drei Stunden gefasst wurden. Der Wähler wird dem Land hoffentlich
eine Fortsetzung dieses unpassenden Bündnisses ersparen.
Von den ganz großen, dringend nötigen Reformen im Gesundheitswesen
oder im Steuersystem redet schon lange keiner mehr. Vor der Wahl
wieder einmal belogen worden zu sein - damit hat man sich abgefunden.
Doch nicht einmal bei den Problemen, die kurzfristig gelöst werden
müssen, finden Union und FDP zueinander. Bei der Energiewende ist
Vieles ungeklärt; bei der Vorratsdatenspeicherung - verhärtete
Fronten, jetzt wird Deutschland sogar von der EU verklagt; die bei
gleichzeitiger Entlastung an anderer Stelle sinnvolle Pkw-Maut wird
ideologisch missbraucht und zerredet; gestritten wird in der
bürgerlichen Koalition ferner über ursprünglich linke Themen wie
Mindestlohn, Frauenquote und Finanztransaktionssteuer. Klärungsbedarf
gibt es reichlich, immerhin hatte die Regierung im Koalitionsvertrag
vereinbart, dass sich ihre führenden Politiker zu Beginn jeder
Sitzungswoche zusammensetzen. Doch auch das ist Schnee von gestern.
Na gut, ein Ergebnis des gestrigen Treffens im Kanzleramt gibt es
zu vermelden: Die Liberalen geben ihren Widerstand gegen das
Betreuungsgeld auf, weil die Union der FDP-Forderung nach Einführung
einer Förderung der privaten Pflegevorsorge nachgibt. Eine unsinnige
Maßnahme kommt, weil eine genauso wenig zielführende beschlossen
wird. Besteht die Berliner Politik nur noch aus Kuhhandel? Vorwärts
geht es so nicht mehr. Lahmes Deutschland!
Bernd Loskant
Pressekontakt:
Fuldaer Zeitung
Bernd Loskant
Telefon: 0661 280-445
Bernd.Loskant@fuldaerzeitung.de
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