Mindener Tageblatt: Kommentar zum Spitzentreffen der Berliner Koalitionsparteien: /
Wo ist der Kompass?
Geschrieben am 05-06-2012 |
Minden (ots) - Als sie antraten, präsentierten sie sich als
Wunschkoalition. Davon ist im rauen Regierungsalltag zwischen CDU,
CSU und FDP nicht viel mehr übrig geblieben als eine Koalition der
Wünsche. Solcher, die man sich gegenseitig um die Ohren haut. Motto:
Gibst Du mir meine Steuerentlastung, bekommst Du Deinen Mindestlohn.
Oder: Verzichtest Du auf Dein Betreuungsgeld, könnte ich meinen
Widerstand gegen Deine Autobahnmaut aufgeben. Um nur ein paar
aktuelle Beispiele zu nennen. Nun war das gegenseitige Geben und
Nehmen schon immer integraler Bestandteil von Politik unter
Bündnispartnern, wäre sogar bei einer Einparteien-Regierung - dann
eben unter Flügeln - unvermeidlich. Der geneigte Bürger aber hätte
schon ganz gern ein überwölbendes Konzept, eine Idee oder, ja, ein
Projekt, das diesem handelsüblichen Basartreiben eine Richtung gibt,
vielleicht sogar einen Sinn. Der aber ist der bürgerlichen Koalition
auf ihrem steinigen Weg durch die Interessengegensätze zumindest in
der öffentlichen Wahrnehmung schon ziemlich früh abhanden gekommen.
Und so bleibt das Bild eines permanent zerstrittenen, uneinigen
Haufens, in der einer dem anderen nicht die Butter aufs Brot gönnt
und nur die ausgleichende Regierungskunst der Kanzlerin den Laden
einigermaßen zusammenhält. Mehrfach schon hat man sich am Riemen
gerissen, sollte alles besser werden. Aber auch Spitzentreffen wie
das gestrige können nicht übertünchen, dass dieser Koalition jenseits
des gemeinsamen Wunsches nach Machterhalt ein gemeinsamer innerer
Kompass zu fehlen scheint. Was umso verwunderlicher ist, als die
Themen doch auf der Straße liegen: die Zukunft Europas, die
wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, der demografische
Wandel. Ein wenig mehr Strahlkraft wird es schon brauchen, will man
sich im kommenden Herbst dem Wähler erneut in dieser Kombination
anbieten. Für alle gilt: Mit Hick-Hack und Klein-Klein schärft man
kein Parteiprofil.
Pressekontakt:
Mindener Tageblatt
Christoph Pepper
Telefon: (0571) 882-/-248
chp@mt-online.de
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