Börsen-Zeitung: In der Defensive, Kommentar zur Deutschen Bank von Bernd Neubacher
Geschrieben am 10-12-2012 |
Frankfurt (ots) - Die gute Nachricht für die Deutsche Bank:
Hinsichtlich ihrer Rolle im Libor-Skandal ist die Gesellschaft,
seitdem eine Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages die
Parlamentarier Ende November ratlos zurückließ, fürs Erste aus den
Schlagzeilen verschwunden. Die schlechte: Der Vorwurf der
Fehlbewertung von Derivaten im Volumen von bis zu 12 Mrd. Dollar in
den Jahren 2007, 2008 und 2009 drängt das Haus ebenso in die
Defensive.
Für diese Annahme spricht die versierte Art, in welcher ein
Ex-Risikoanalyst der Bank seine eigentlich alten Anschuldigungen
neuerdings in die breite Öffentlichkeit trägt. Einem ersten Vorstoß
in der britischen Presse folgten allein am Montag bundesweit gleich
mehrere Zeitungsinterviews. Dafür spricht aber auch die defensive
Haltung des Instituts, das seine Einlassungen offiziell auf ganze
sechs Sätze beschränken möchte. Zur Libor-Anhörung hatte
Co-Vorstandschef Anshu Jain Personal- und Compliance-Vorstand Stephan
Leithner geschickt. Nun verweist man auf eine schon vor Tagen
herausgegebene Stellungnahme, der zufolge alles seine Richtigkeit
hatte. Damit wird es kaum getan sein.
Die Frage, wie die Bank ein 130 Mrd. Dollar schweres Portfolio
komplexer Derivate bewertete und ob letztlich Boni infolge überhöhter
Bewertungen flossen, ist primär für die Aktionäre von Belang. Doch
auch die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse an mehr
Informationen. Denn wer mag schon garantieren, dass die Bank, die für
2008 einen Nettoverlust von knapp 4 Mrd. Euro ausgewiesen hatte, die
Krise auch dann ohne Staatshilfe gemeistert hätte, wenn sie, wie
insinuiert wird, bis zu 12 Mrd. Dollar hätte abschreiben müssen? Von
der SEC und ihren Untersuchungen ist in Sachen Aufklärung nicht viel
zu erwarten - die Verfahren der US-Wertpapieraufsicht schlafen
entweder ein oder enden mit windelweichen Vergleichen im stillen
Kämmerlein.
Die Anschuldigungen mögen perfide sein, da die Bank sie wegen der
Komplexität der Materie nicht rasch aus der Welt schaffen kann. Von
dieser Komplexität aber hat sie eine Weile nicht schlecht gelebt.
Daher führt für die Bank nun kein Weg daran vorbei, die
inkriminierten Wertansätze transparent(er) zu machen. Denn die Frage
der Bewertung führt geradewegs ins Herz der Finanzkrise. Sie erklärt
auch einen guten Teil des Vertrauensverlusts, den die Branche ja
selbst so oft beklagt. Sofern die Bank es schafft, ihre Sicht der
Dinge ebenso offensiv wie glaubwürdig zu vertreten, bietet sich ihr
dabei eine große Chance. Die Köpfe der Bank reden gerne von Corporate
Citizenship. Jetzt können sie dieses Prinzip praktizieren.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
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