(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Am Rand der Klippe

Geschrieben am 27-12-2012

Regensburg (ots) - Von Christian Kucznierz

Die Weihnachtsfeiertage sind für viele eine Zeit der Rituale. Die
meisten davon sind von der lieb gewonnenen Sorte. Für US-Präsident
Barack Obama gibt es ein anderes Ritual, und es ist keines, das er
gerne mag: Seit 2009 zwingt ihn jährlich ein Streitthema dazu, seinen
Urlaub auf Hawaii zu unterbrechen und nach Washington zurückzukehren.
So auch dieses Mal. Ganz offensichtlich leiden die Republikaner an
einer besonderen Form des Gedächtnisverlusts. Vor nicht einmal zwei
Monaten haben sie eine erneute Niederlage im Rennen um das Weiße Haus
eingefahren. Ihr Kandidat Mitt Romney hatte angekündigt, in Zukunft
wieder dafür zu werben, über die Parteigrenzen hinweg Politik zu
machen. Beides, die Wahlschlappe und die Handreichung, sind so
schnell vergessen wie der Kandidat selbst. Im Kongress haben die
Republikaner wieder auf ihren Lieblingsmodus geschaltet:
Fundamentalopposition. Dabei geht es dieses Mal um viel: Sollten sich
beide Seiten, Demokraten und Republikaner, nicht bis Jahresende auf
ein umfassendes Sparprogramm zum Schuldenabbau einigen können, treten
automatische Sparmaßnahmen in Kraft. Die belaufen sich auf über 600
Milliarden Dollar. Es gilt, nicht von dieser "Fiskalklippe" zu
stürzen - aber in Washington scheint man fast schon Freude am Tanz am
Abgrund zu haben, zumindest, wenn man Republikaner ist. Dabei haben
sie selbst diese Fikal-klippe mit ins Leben gerufen. Als vor einem
Jahr das "Super-Kommitte", das aus Vertretern beider Parteien
bestand, im Streit um Sparmaßnahmen keine Lösung fand, vertagte man
diese einfach bis zum 1. Januar 2013 - in der Hoffnung, dass der
Zeitdruck es schon richten wird. Ein frommer Wunsch. Vor allem
deswegen, weil "Kompromiss" aus dem Wortschatz der konservativen
Hardliner gestrichen ist. Am deutlichsten hatte sich dies in der
Woche vor Weihnachten gezeigt. Der republikanische Sprecher des
Repräsentantenhauses, John Boehner, hatte sich geneigt gezeigt, dem
Vorschlag Obamas zuzustimmen, Steuererhöhungen nur für die
Einkommensmillionäre einzuführen. Er hatte die Rechnung ohne seine
Partei gemacht; Steuererhöhungen jedweder Art sind mit den
Ultrakonservativen nicht zu machen. Diese Betonköpfigkeit könnte am
Ende dazu führen könnte, dass am 1. Januar nun Steuererhöhungen für
alle Amerikaner automatisch in Kraft treten - also genau das
eintritt, wogegen die Republikaner im Wahlkampf zu Felde gezogen
sind. Diese Eigentümlichkeit ist ebenso dem politischen
Gedächtnisverlust der Partei zuzuschreiben wie der Umstand, dass ihre
Haltung zu automatischen Kürzungen im Militärbudget führen wird; auch
das war eine No-Go-Zone im Wahlkampf. Dabei können die Republikaner
nur immer weiter verlieren: Jüngste Umfragen zeigen nicht nur, dass
sie generell an Zuspruch in der Bevölkerung eingebüßt haben. Sie
zeigen auch, dass die Amerikaner das Agieren der Partei im
Steuerstreit falsch finden, während sie zufrieden damit sind, wie der
Präsident mit der Situation umgeht. Nur: Sich zurücklehnen und
schadenfroh darauf zu warten, dass die Republikaner an ihrer eigenen
Sturheit scheitern, wird teuer. Für 25 Millionen Amerikaner bedeutet
der Sturz über die Klippe, durchschnittlich 1000 Dollar im Jahr
weniger im Geldbeutel zu haben. Die US-Wirtschaft, so fürchten
Experten, droht in der Folge in die nächste Rezession schlittern -
mit fatalen Folgen für die Weltwirtschaft. Es ist vor allem dieses
Szenario, dass auch die Hardliner am Ende dazu bringen wird, das Wort
Kompromiss wiederzuentdecken - zumindest für den Moment. Obama wird
sich aber darauf einstellen müssen, seine Urlaube auch im kommenden
Jahr eher flexibel zu gestalten.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

438838

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: NRW-Bereitschaftspolizisten im Dauereinsatz: Das Innenministerium hat in diesem Jahr mehr als die Hälfte der 13 freien Wochenenden, an denen eigentlich kein Dienst angeordnet werden d Bielefeld (ots) - Die Polizisten der 18 Einsatzhundertschaften in Nordrhein-Westfalen hatten in diesem Jahr kaum ein freies Wochenende. Der Grund: Die Zahl der 13 arbeitsfreien Wochenenden, an denen kein Dienst angeordnet werden darf, ist vom Innenministerium rigoros zusammengestrichen worden. Das berichtet das Bielefelder Westfalen-Blatt (Freitags-Ausgabe). Aus den Zahlen des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) von Januar bis November 2012 geht hervor, dass es die Beamten der 12. Einsatzhundertschaft in Köln am schlimmsten mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEn-BLATT (Bielefeld) zum EU-Sparprogramm Bielefeld (ots) - Es klingt nach einer gehörigen Portion Populismus: Die EU soll ihren Beamten weniger zahlen, die Gruppe der Kommissare verkleinern und die Verwaltungskosten minimieren. Das fordert die CSU. Zieht man das zugegeben ziemlich plumpe Buhlen um Wählerstimmen mit Hilfe von EU-Ressentiments ab, bleibt ein Moment des Nachdenkens über brauchbare Ansätze, die aber nicht neu sind. Turnusmäßig wird die Ausgabenpolitik der EU angeprangert - zu Recht. Und es ist nicht nachvollziehbar, warum jedes Land einen Kommissar stellt. mehr...

  • Rheinische Post: 30-Stunden-Diktat = Von Martin Kessler Düsseldorf (ots) - Der Vorschlag einer 30-Stunden-Woche für berufstätige Paare, wie ihn SPD-Generalsekretärin Nahles jetzt vorgebracht hat, besitzt durchaus Charme. Warum sollen sich Ehepaare, die sowohl Zeit für ihren Beruf wie für ihren Nachwuchs aufbringen wollen, nicht die Arbeit im doppelten Sinne teilen? Doch die Sache hat einen Haken. Die SPD will mit Subventionen diejenigen belohnen, die deswegen nur 30 Stunden arbeiten wollen. Mal abgesehen davon, ob für so etwas Geld vorhanden ist, bedeutet dieser Vorschlag eine Bevormundung. mehr...

  • Rheinische Post: Der Kampf gegen den Terror ist nicht zu Ende = Von Gregor Mayntz Düsseldorf (ots) - Zur Jahreswende läuft der Westen Gefahr, Opfer einer trügerischen Lageeinschätzung zu werden. Die Situation in Afghanistan hat sich so beruhigt, dass immer mehr Regionen von heimischen Kräften übernommen werden können. Die Bundeswehr hatte 2012 keinen einzigen Gefallenen zu beklagen. Auch vor den Küsten Somalias schrecken die Piraten vor den schlagkräftiger gewordenen Nato-Schiffen und den mitfahrenden Sicherheitsteams zurück. Auch das Pulverfass rund um Israel und den Iran ist nicht explodiert. Mission erfüllt? mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zur 30-Stunden-Elternwoche Stuttgart (ots) - Es hängt vor allem vom guten Willen der Wirtschaft ab, ob diese 30-Stunden-Elternwoche durchsetzbar wäre. Per Gesetz lässt sie sich nicht verordnen. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagt: "Wir haben nur dieses eine Leben, und in dem muss es möglich sein, politische Antworten auf die Fragen zu entwickeln: Was willst du beruflich machen? Und willst du Kinder?" Der Staat will bei diesen beiden Entscheidungen ein Wörtchen mitreden, weil das Land dringend Arbeitskräfte braucht. Dazu müsste er jedoch noch weitere individuelle mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht