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China: Exil-Journalist fordert mehr Aufmerksamkeit für Regimekritiker / ARD-Team angegriffen

Geschrieben am 01-03-2013

Berlin (ots) - Der Exil-Journalist Chang Ping ruft die westliche
Öffentlichkeit vor Beginn des Nationalen Volkskongresses in Peking am
Dienstag (5. März) dazu auf, den Blick stärker auf die Entwicklungen
in der chinesischen Gesellschaft zu richten als auf die Postenvergabe
an der Parteispitze. "China hat sich stets durch Druck von unten
verändert, nicht auf Befehl der Herrschenden", sagte Ping gegenüber
Reporter ohne Grenzen in Berlin. Trotz strenger Zensur berichteten
mutige Journalisten über Umweltverschmutzung oder Korruption und
kämpften Bürgerinitiativen für mehr Mitbestimmung. Erst in der
vergangenen Woche unterzeichnete Wang Keqin, einer der bekanntesten
investigativen Reporter Chinas, einen offenen Brief, der die
Regierung zu Reformen und der Einhaltung fundamentaler Rechte wie
Presse- und Meinungsfreiheit aufruft (http://bbc.in/YXQsTD).

"An engagierten Journalisten und brisantem Material herrscht in
China kein Mangel", erklärte Chang Ping im Gespräch mit ROG, "es
fehlen die Möglichkeiten, dies zu veröffentlichen". Chang ist
Chefredakteur der in Hongkong erscheinenden Wochenzeitung
iSunAffairs, lebt aber seit Juli 2011 in Deutschland, weil er kein
Arbeitsvisum für Hongkong erhält. In China verlor er wegen kritischer
Artikel dreimal seine Stelle, bevor die Behörden ein Berufsverbot
gegen ihn verhängten. Der 44-Jährige arbeitete unter anderem als
Nachrichtenchef der populären Wochenzeitung Nanfang Zhoumo, die
Anfang Januar wegen eines besonders dreisten Falls von Zensur in die
Schlagzeilen geriet: Die Propagandabehörde hatte ohne Wissen der
Redaktion kurz vor dem Druck einen Artikel ausgetauscht, woraufhin
hunderte Unterstützer vor dem Gebäude der Redaktion protestierten
(http://bit.ly/X3kCFv).

Im Normalfall sorgt das Propagandaministerium deutlich früher
dafür, dass kritische Berichte nicht erscheinen. Die Redaktion von
Nanfang Zhoumo, berichtet Chang, erhalte täglich E-Mails mit
Hinweisen auf Machtmissbrauch oder vertuschte Unglücksfälle. Ein
effektives System von Kontrolle und Selbstzensur verhindere jedoch
meist, dass darüber berichtet wird. So sind Leitungsposten in fast
allen Medien mit Parteikadern besetzt, die Anweisungen aus dem
Propagandaministerium an Redakteure weitergeben - oft in Gesprächen
und Telefonaten, um schriftliche Spuren der Zensur zu vermeiden. Über
eintausend Artikel seien bei Nanfang Zhoumo allein im vergangenen
Jahr nach solchen Gesprächen nicht erschienen.

"Es gibt keine klare rote Linie, worüber berichtet werden darf und
worüber nicht", erklärt Chang Ping. Viele Kollegen zensierten sich
deshalb selbst. Andere versuchten immer wieder auf eigenes Risiko,
die Grenzen auszuloten und Spielräume zu erweitern. "Es ist ein
Wettlauf mit den Zensoren: Solange es noch keine Vorgaben von der
Zentrale gibt, können wir brisante Nachrichten veröffentlichen,
danach wird es gefährlich."

Dass die Arbeit auch für ausländische Journalisten immer
schwieriger wird, zeigte der brutale Angriff auf ein ARD-Team am
Donnerstag. Die Journalisten hatten für einen Bericht über die
Zerstörung von Dörfern in der Nähe von Peking recherchiert, als ihr
Minibus auf der Rückfahrt von vier Wagen verfolgt und von der Straße
abgedrängt wurde. Mit Baseballschlägern bewaffnete Männer griffen den
Bus an und zertrümmerten seine Frontscheibe. Das Team entkam
unverletzt. Reporter ohne Grenzen unterstützt den Appell von
ARD-Korrespondentin Christine Adelhardt, den Vorfall aufzuklären und
die Täter zu bestrafen.

In kaum einem Land werden die Medien so streng kontrolliert wie in
China, das auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 173 von
179 steht. Zurzeit sitzen dort etwa 100 Journalisten und Blogger im
Gefängnis. Detaillierte Informationen dazu im ROG-China-Spezial:
http://www.reporter-ohne-grenzen.de/china-spezial



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
Pressearbeit
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
Tel.: +49 (0)30 60 98 95 33-55


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