DER STANDARD-Kommentar "Eurokritiker in der Krisenfalle" von András Szigetvari
Geschrieben am 08-03-2013 |
"Knackige Zitate, flotte Sprüche: Europas Politik verdient
mitunter Besseres" - Ausgabe 9.3.2013
wien (ots) - Europa ist nicht nur in seinen Wirtschaftsturbulenzen
gefangen, sondern durchlebt auch eine Krise der kritischen
Auseinandersetzung und Berichterstattung mit dem Thema. Ein Teil der
Medien und Ökonomen, die der Politik auf die Finger schauen,
operieren selbst im Krisenmodus. Sie tragen nicht zum besseren
Verständnis der komplexen Zusammenhänge in Europa bei, sondern sorgen
im Gegenteil für eine Entfremdung zwischen Politikern und Wählern und
betreiben mitunter Panikmache.
Gut zu beobachten war das im Vorfeld der griechischen Wahlen. Die
Schlagzeilen darüber, was nicht alles bei einem Sieg der
linksradikalen Syriza geschehen würden, überschlugen sich. Die
deutsche Bild schrieb, das Land habe die Wahl zwischen "Vernunft und
völligem Untergang". Der Urnengang wurde in anderen Medien zur
"Abstimmung über die Zukunft der Eurozone" stilisiert. Man mag über
Syriza denken, wie man will. Der Partei wurde nie vorgeworfen,
demokratischen Boden verlassen zu haben. Trotzdem wurde ein Klima
geschaffen, indem man meinen konnte, Griechenland stehe vor einem
Militärputsch.
Das Phänomen ließe sich als Verirrung des Boulevards abtun, würden
nicht auch Qualitätsmedien ihren Beitrag zur Hypernervosität leisten.
Politiker werden für Stehsätze kritisiert. Sie werden aber auch
kritisiert, wenn sie offen sprechen. Paradefall dafür war ein ZiB
2-Interview von Armin Wolf mit Finanzministerin Maria Fekter. Fekter
deutete dort an, dass Italien Hilfen der Euroländer brauchen könnte.
Ihr wurde deswegen vorgeworfen, die Märkte zu verunsichern. Dabei
ging unter, dass Wolf von Fekter wissen wollte, ob sie ein solches
Hilfsgesuch "ausschließen" könne. Fekters Antwort war unbeholfen: Sie
hätte sagen können, im Leben lasse sich nichts ausschließen. Doch es
wirkt, als sei hier für ein knackiges Zitat die Chance auf eine
ernste Debatte geopfert worden.
Dass die Kritik aus dem Gleichgewicht geraten ist, lässt sich auch an
der Ökonomenkaste zeigen: US-Nobelpreisträger Paul Krugman zieht fast
täglich über Europa her. Vor kurzem schrieb er, dass Europas Führer
ihre Gesellschaften eher "in den Abgrund stoßen würden" als
zuzugeben, dass ihre Sparpolitik falsch ist. Krugman vergleicht die
Strategie der Eurozone mit der Sparpolitik der 1930er. Dabei
unterschlägt er, dass Europa auf die Krise zunächst mit drastischen
Mehrausgaben reagiert hat. Spaniens Staatsschulden haben sich seit
2008 verdoppelt. Den Südländern wurden inzwischen harte Sparauflagen
auferlegt. Aber niemand verlangt von ihnen, umgehend einen
ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Spanien und Griechenland machen
weiter Schulden. Sparwahn sieht anders aus.
Krugman fordert, die Deutschen mögen so wie die USA 2008 alle
Geldschleusen öffnen. Dabei verkennt er die politische Realität:
Kanzlerin Angela Merkel hat eine skeptische Partei und skeptische
Wähler im Rücken, auf die sie hören muss. Der Vergleich mit den USA
hinkt zudem, weil dort Dinge wie eine zentrale Fiskalpolitik längst
verwirklicht sind.
Europa braucht keinen Anbiederungsjournalismus, und Ökonomen werden
weiter gute Gründe haben, die Krisenstrategie zu bemängeln. Doch es
wäre Aufgabe der kritischen Öffentlichkeit, auf die Sachzwänge und
den Zeitdruck hinzuweisen, unter dem die Politik derzeit agiert.
Manches Urteil würde dann vielleicht nicht besser, aber doch
differenzierter ausfallen.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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