Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu den Anschlägen in Boston: "Die Macht der Angst"
Geschrieben am 16-04-2013 |
Regensburg (ots) - Der Tag danach ist vor allem geprägt von
Mitgefühl, von Wut - und von Angst. Das alles ist mehr als
verständlich. Die Bilder aus Boston haben uns erschreckt. Das Leid
der Opfer, darunter ein kleiner Junge, macht uns traurig. Der
hinterhältige Angriff auf Menschen, die an einer friedliche
Sportveranstaltung teilnahmen (oder auch nur zuschauen wollten)
verursacht auch Wut auf den oder die Täter. Das ist alles richtig und
es ist wohl auch wichtig. Ihre größte Macht können Terroristen aber
dadurch ausüben, dass ihre Taten Angst verursachen. Schon in den
Stunden nach dem Anschlag von Boston hat sich diese Angst in die
Köpfe und Herzen von Menschen auf der ganzen Welt gefressen.
Intensivst wird beispielsweise in verschiedenen Foren die Frage
diskutiert, ob denn zum Beispiel der Berlin Marathon jetzt noch
genauso stattfinden könne. Auch ein Regensburg Marathon, eigentlich
jede größere Veranstaltung dieser Art, wird nun zumindest leise in
Frage gestellt. Genau das darf aber nicht passieren. Auch wenn diese
Reaktion natürlich nachvollziehbar ist, darf die Angst nicht unser
Handeln dominieren. Denn genau genommen würden dann die Täter unser
Handeln dominieren. Damit erhalten Sie aber mehr Macht, als dies mit
einem physischen Angriff möglich wäre. Damit werden selbst
Einzeltäter in die Lage versetzt, ihren Wahnsinn in die ganze Welt zu
verbreiten. Vielleicht hilft an dieser Stelle ein Blick auf die
vorhandenen Fakten. Was wissen wir denn eigentlich schon? Es handelt
sich ganz offensichtlich um einen Terrorakt. So weit, so schlecht.
Wer hinter den Anschlägen steckt, wie viele Täter es gibt, welche
Motive sie oder ihn zu solch einer ebenso sinnlosen wie grausamen
Aktion bewegt hat - wir wissen es schlichtweg nicht. Noch direkter:
Wir wissen streng genommen ja noch nicht einmal, ob der Täter selbst
noch am Leben ist. Warum also sollen wir diesen Menschen erlauben,
dass sie uns Angst machen? Warum sollen wir sie in die Lage
versetzen, unser Denken zu bestimmen. Auch wenn es natürlich nicht
einfach ist. Wir müssen uns dagegen wehren, dass sich diese Angst
verbreitet. Wir müssen uns auch dagegen wehren, dass versucht wird,
aus der vorhandenen Angst Kapital zu schlagen. Es ist schlichtweg
unerträglich, wenn Lobbyisten sich ein solches Ereignis zu Nutze zu
machen wollen. Kaum zu glauben, dass es tatsächlich schon heute
wieder deutsche Politiker gibt, die wie ein Pawlow'scher Hund nach
der Datenvorratsspeicherung schreien. Ohne zu wissen, ob für das
Bostoner Attentat nicht vielleicht ein verrückter Einzeltäter
verantwortlich ist, der in seinem ganzen Leben weder Telefon noch
Internet benutzt hat. Wer nichts weiß, und doch mit der Verkündung
von immer gleichen Pauschalrezepten tut, als könne er etwas bewirken,
wird unglaubwürdig - schlimmer noch: Er fördert die Verunsicherung
bei den Menschen, transportiert und verstärkt die Angst. Genau das
Gegenteil ist aber notwendig. Die Mordserie der NSU hat uns gerade in
Deutschland vor Augen geführt, wie wichtig funktionierende und
zielgerichtete Arbeit bei den Ermittlern ist. Sie hat uns eben auch
gezeigt, dass Informationen immer nur so gut sind, wie deren
Verwerter. Doch selbst, wenn an diesen Stellen alles nahezu perfekt
funktionieren sollte: Hundertprozentige Sicherheit kann es nicht
geben, hat es noch nie gegeben. Deshalb müssen wir dem Terror auf
andere Weise entgegentreten. Wenn wir uns nicht terrorisieren lassen,
wenn wir unsere Angst nicht zu mächtig werden lassen, dann stehen die
Täter auf verlorenen Posten. Sie können vielleicht mit einem Anschlag
einen grausamen Erfolg haben, gewinnen können sie dann aber nicht.
Autor: Holger Schellkopf
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
458463
weitere Artikel:
- Westfalenpost: Emmissionshandel Hagen (ots) - Es war eine schöne Idee: Der europaweite Handel
mit CO2-Zertifikaten sollte den Klimaschutz
marktwirtschaftlich voranbringen. Aber das System krankte daran,
dass zu Beginn auf Druck der Industrie zu viele Verschmutzungsrechte
zugeteilt und danach fragwürdige Projekte in Schwellenländern
anerkannt wurden. Die 2008 einsetzende Wirtschaftskrise schickte den
Emissionshandel ins Koma, Wiederbelebungsmaßnahmen hat das
EU-Parlament nun abgelehnt. Der Patient ist tot. Die Folgen
sind fatal: Für die Industrie mehr...
- Westfalenpost: Bombenattentat in den USA Hagen (ots) - Eines vorab: Wir enthalten uns der Spekulationen,
wer mit welcher Absicht die Bomben von Boston gelegt haben könnte. So
lange noch in alle Richtungen ermittelt wird, weil es keine
zwingenden Hinweise auf die Täter gibt, so lange verbieten sich auch
Schlussfolgerungen. Es ist ein Zeichen von großer Souveränität, dass
der amerikanische Präsident auf die Schreckensmeldung betont
zurückhaltend reagiert hat, was solche Spekulationen angeht.
Stattdessen ist Einfühlungsvermögen gefragt. Stellen wir
uns doch einmal vor, mehr...
- Mitteldeutsche Zeitung: zu Terror / Boston Halle (ots) - Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001
haben sich die USA in eine Festung verwandelt. Die Polizei hat mehr
Befugnisse als je zuvor in der Geschichte. Die Freiheit des Einzelnen
ist rigoros beschnitten worden. Es wird gelauscht und gefilmt, wo
immer sich die Gelegenheit bietet. Die feigen Angriffe auf New York
und Washington sind mit fürchterlichen Kriegen in Afghanistan und im
Irak beantwortet worden. Es stimmt schon: Auch deswegen blieb die
Festung USA einige Jahre lang von neuen Terrorattacken verschont. mehr...
- Mitteldeutsche Zeitung: Boston-Anschläge
Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht nennt Sicherheitslage im Land "ruhig" Halle (ots) - In Sachsen-Anhalt gibt es im Augenblick keine
Hinweise darauf, dass im Land mit Anschlägen zu rechnen ist. "Die
Sicherheitslage ist ruhig", sagte Innenminister Holger Stahlknecht
(CDU) der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung
(Mittwochausgabe). Die Sicherheitsbehörden seien nach den
Bombenanschlägen in Boston sensibilisiert und das Landeskriminalamt
stehe ständig mit dem Bundeskriminalamt im Kontakt. Hundertprozentige
Sicherheit gebe es allerdings nie. "Wir tun aber alles, um nah an die
100 Prozent zu kommen", mehr...
- Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zu den Bombenanschlägen in Boston Stuttgart (ots) - "In Zeiten der Gefahr rückt Amerika zusammen.
Die Menschen helfen sich spontan. Und diesmal scheinen auch die
Sicherheitsorgane geräuschlos zusammenzuarbeiten. Auch wenn zu einem
späteren Zeitpunkt sicher zu fragen ist, ob die Geheimdienste
Hinweise auf die Tat übersehen haben. Selbst die unverbesserlichen
Streithähne in Washington treffen den richtigen Ton. US-Präsident
Barack Obama lässt sich nicht zu voreiligen Schlüssen hinreißen,
strahlt Ruhe und Festigkeit aus: Der oder die Schuldigen werden
ausfindig gemacht mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|