"DER STANDARD"-Kommentar: "Nützt's nix, schadet's nix"
von Andreas Schnauder
Geschrieben am 02-05-2013 |
Die jüngste EZB-Zinssenkung kann die Kreditnachfrage nicht
ankurbeln - Ausgabe vom 3.5.2013
Wien (ots) - Impulse hat sich schon vorher niemand erwartet - mit
oder ohne Zinssenkung. Ein Schaden dürfte von ihr vordergründig auch
nicht ausgehen: Die EZB hat mit ihrer Reduktion des Leitzinssatzes um
einen Viertelprozentpunkt den Erwartungen einigermaßen entsprochen.
Angesichts einer deutlich unter die Marke von zwei Prozent gesunkenen
Inflation und einer von der Peripherie immer stärker auf den Kern der
Eurozone ausstrahlenden Rezession kann dieser Schritt nicht gerade
als übertriebene Lockerung der geldpolitischen Ziele abgekanzelt
werden. Andererseits geht der Schuss von EZB-Chef Mario Draghi
ziemlich deutlich am Ziel vorbei. Am Kriechgang der europäischen
Wirtschaft wird die Zinssenkung mit ziemlich großer
Wahrscheinlichkeit nichts ändern. Im Frankfurter Währungstower tut
man sich zusehends schwer, auf die unterschiedlichen Verfassungen in
der Eurozone angemessen zu reagieren. Die Kreditbedingungen in
Spanien und anderen Krisenländer können nur als miserabel bezeichnet
werden. Eine restriktive Mittelvergabe der Banken wird durch eine
konjunkturbedingt schwache Kreditnachfrage der Unternehmen
komplettiert. Daran kann die EZB nicht viel ändern. Engpässe bei der
Geldaufnahme via Zentralbank hatten die Banken dank Vollversorgung
schon bisher keine. Die liquiden Mittel werden aber lieber in
Staatsanleihen gepumpt oder bei der EZB geparkt als sie an die
Realwirtschaft weiterzureichen. Pikanterweise war es die Notenbank,
die im Herbst die Finanzierungskrise der Euro-Randstaaten durch die
Ankündigung unbegrenzter Anleihenkäufe dramatisch eindämmte. Nun
erhalten Madrid und Rom von den Banken wieder Kredite zu akzeptablen
Konditionen, während insbesondere die Klein- und Mittelbetriebe durch
die Finger schauen. Dass die EZB nun an einem Finanzierungsprogramm
für den betrieblichen Mittelstand tüftelt, kann als Signal gewertet
werden, dass die Botschaft in Frankfurt angekommen ist. Ob die
Währungshüter tatsächlich Maßnahmen ergreifen können und werden, um
die Situation zu entspannen, bleibt abzuwarten. Auch die Andeutung,
Einlagen bei der EZB mit Negativzinsen zu sanktionieren, sollte nicht
überbewertet werden. Verluste nahmen die Banken ja bisher schon in
Kauf, wenn sie Geld um 0,75 Prozent aufnahmen und zum Nulltarif
retournierten. Eine Abkehr von dieser Praxis wäre nur bei
drakonischen "Strafen" zu erwarten, die von Frankfurt aber eher nicht
zu erwarten sind. Während der Einfluss der Notenbank auf die
Kreditnachfrage überschaubar bleibt, müssen die Haushalte mit den
Negativfolgen der Niedrigzinspolitik leben. Die betuchte Klientel
investiert lieber in Häuser, als das Vermögen auf der Bank entwerten
zu lassen. Kleine Sparer verharren hingegen angesichts dürrer
Kontoauszüge in Schockstarre. Und auch die in Lebensversicherungen
und Pensionskassen gesteckten Gelder werfen immer weniger ab. Wenn
dann noch Zwangsabgaben auf Spareinlagen im Gefolge der Zypern-Krise
die Runde machen, ist die Verunsicherung der Anleger kaum zu toppen.
Der permanente Ausnahmezustand - wir befinden uns immerhin im Jahr
fünf nach Lehman - trübt das Vertrauen. Das gilt auch für Betriebe,
die trotz Niedrigzinses kaum investieren. So schwer lasten die
Staatsschulden auf den Volkswirtschaften, dass Zinssenkungen nur
verpuffen können.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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