DER STANDARD-Kommentar: "Nach der Schlacht von Qusayr" von Gudrun Harrer
Geschrieben am 07-06-2013 |
"Auch Österreichs Golan-Mission ist ein Opfer der Schwäche der
Rebellen"; Ausgabe vom 8.6.2013
Wien (ots) - Es ist kein "Qusayrgrad" für das Regime geworden -
diese Bezeichnung geisterte tatsächlich durch rebellenfreundliche
Berichte -, sondern ein Sieg, der sich als Wendepunkt im syrischen
Aufstand herausstellen könnte. Auch wenn dieses Urteil natürlich erst
später gefällt werden kann: Sicher ist, dass die Assad-Truppen
mithilfe der Hisbollah nicht nur eine Stadt an der libanesischen
Grenze zurückerobert haben, sondern einen wichtigen strategischen
Punkt. Es ist nicht ohne Ironie, dass die österreichische
Uno-Golan-Mission ausgerechnet der derzeitigen Schwäche der Rebellen
zum Opfer fällt: Die verstärkten Rebellenaktivitäten auf dem Golan,
die die Österreicher in die Bunker trieb, sind vor allem als
Entlastung für woanders unter Druck geratene oppositionelle Verbände
gedacht. Ob es den Rebellen gelingt, damit größere Mengen an
syrischen Regimetruppen, als jetzt dort sind, in die Gegend zu
locken, ist zweifelhaft. Besser könnte das schon funktionieren, wenn
die Rebellen Situationen herstellen, die Israel zum Eingreifen
provozieren. Die Einnahme al-Qusayrs verschafft dem Regime die
Kontrolle der Route zwischen Damaskus und Homs und zwischen Damaskus
und den alawitischen Küstengebieten. Es hat nun militärische Optionen
in mehrere Richtungen. In den vergangenen Monaten wurden dazu von der
syrischen Armee systematisch neue Verbindungen geschaffen: von
Damaskus nach Aleppo durch regimekontrollierte Gebiete, von Aleppo
zum Flughafen, von Aleppo durch schiitische Dörfer an die
syrisch-türkisch Grenze. Aleppo dürfte das nächste Rückeroberungsziel
sein, aber es gibt weitere Möglichkeiten, etwa Deraa an der
Südgrenze, wo der Aufstand vor gut zwei Jahren begann. Dass das
syrische Regime im ganzen Land auf Dauer wieder die Kontrolle
herstellen kann, glaubt dennoch niemand. Die offene Beteiligung der
libanesischen schiitischen Hisbollah wird auf der Gegenseite eine
Unterstützungswelle hervorrufen: Davon zeugt schon das Beschwören
eines "schiitischen Jihadismus"- wissenschaftlich ein völliger Unsinn
- in arabischen sunnitischen Golfmedien. Akut gefährdet ist dadurch
der Friede im Libanon. Auch dort könnten Entlastungsaktionen
syrischer Rebellen stattfinden, um die Hisbollah im Land zu binden.
Die Schiitenmiliz steht vor einer Wegkreuzung: Wenn sie das syrische
Regime auch bei den zu erwarteten Kämpfen in Homs und Aleppo gegen
die Rebellen unterstützt, straft sie ihre Behauptung Lügen, beim
Einsatz von al-Qusayr habe es sich um die Verteidigung der beidseitig
der Grenze lebenden lokalen Schiiten, quasi eigener Leute also,
gehandelt. Die Entwicklung der Hisbollah zur offensiv agierenden
Truppe in einem Krieg, der nicht der ihre ist - vielmehr ist er der
des Iran -' wäre auch aus israelischer Sicht ein veritabler und
dramatischer Paradigmenwechsel. Es braucht ein gutes Stück
Optimismus, um Erwartungen in die diplomatische Front - die Pläne für
die "Genf II"Konferenz - zu setzen. Abgesehen von ihrer
Zerstrittenheit stehen der Teilnahme der Opposition auch die
Niederlagen ihrer bewaffneten Verbündeten im Weg: Niemand verhandelt
gerne aus einer Position der Schwäche heraus. Andererseits könnte
gerade die derzeitige Lage bei der Opposition erstmals ein echtes
Interesse an Verhandlungen hervorrufen. Die Hoffnungen, den Konflikt
militärisch in absehbarer Zeit für sich entscheiden zu können, sind
minimal.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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