Allg. Zeitung Mainz: Neuland / Kommentar zu Sicherheit und Freiheit
Geschrieben am 07-07-2013 |
Mainz (ots) - Eines vorweg: Brief- und Fernmeldegeheimnis sind
Grundpfeiler einer jeden freiheitlichen Ordnung. Die Geschichte des
Briefgeheimnisses geht sogar in die vorrevolutionäre Zeit zurück.
Mitte des 18. Jahrhunderts - unter Ludwig XV. - waren Postboten, die
das Briefgeheimnis verletzten, mit der Todesstrafe bedroht. Doch so
alt wie der Schutz von Informationen und ihrer Absender, so alt sind
auch die Ausnahmen, die sich der Staat gewährt - zumeist mit der
Begründung, die Sicherheit seiner Bürger garantieren zu müssen. Der
Zielkonflikt in der Abwägung der Freiheitsrechte des Einzelnen gegen
die Sicherheit aller ist also alles andere als neu. Und je
dramatischer die Bedrohung war, desto schwerer war es stets, die
Freiheitsrechte zu verteidigen. Zur Zeit der Terrorismusbekämpfung
der 70er und 80er Jahre haben wir in Deutschland leidenschaftlich um
sie gestritten. Die in jedem Sinne grenzenlosen Ausspähungen des
weltweiten Datentransfers durch die amerikanische NSA und ihr
britisches Pendant GCHQ stößt allerdings in völlig neue Dimensionen
vor. Erstmals erscheint es denkbar und technisch sogar schon möglich,
dass unsere und aller Weltenbürger Kommunikation über das Internet
komplett abgeschöpft wird. Metadaten machen es möglich. Metadaten
sind Namen und Schlüsselwörter. In einer lückenlosen,
ununterbrochenen und weltweiten Rasterfahndung können so Menschen
ausgeworfen werden, die mit verdächtigen Menschen in verdächtigen
Zusammenhängen und an verdächtigen Orten kommunizieren. Offenbar sind
die Sauerland-Gruppe und andere Dschihadisten in den vergangenen
Jahren auf diese Weise auch in Deutschland dingfest gemacht worden.
Die Regierung wusste also mehr, als sie zugeben mag. Und doch ist das
Wort vom Neuland, mit dem sich die Kanzlerin scheinbar so blamiert
hat, berechtigt. Die Dimension dieses Freiheitsangriffs, den die
angloamerikanischen Geheimdienste im Gleichschritt mit Facebook,
Google, Skype und Co. begehen, hat sich vor Edward Snowden ganz
sicher auch die Bundesregierung nicht vorstellen können. Die
notwendigen Reaktionen auf diese Selbstzerstörungstendenz der
freiheitlichen Gesellschaften können deshalb zurzeit nur in Fragen
gekleidet werden. Und eine Chance, praktikable Antworten auf diese
Fragen zu finden, wird es nur im internationalen Rahmen geben.
Zunächst also muss sich Europa finden. Doch am Ende werden sich auch
die Vereinigten Staaten zu dem klassischen Grundsatz bekennen müssen,
dass jede Einschränkung der Freiheit ihrerseits massiver
Einschränkungen und parlamentarischer Kontrolle bedarf - auch wenn es
um die Sicherheit unserer Gesellschaften geht.
Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Florian Giezewski
Regionalmanager
Telefon: 06131/485817
desk-zentral@vrm.de
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