BERLINER MORGENPOST: Gerecht, aber schmerzhaft / Leitartikel von Hajo Schumacher
Geschrieben am 15-08-2013 |
Berlin (ots) - Ist dieses Urteil gerecht? Haben die Täter nicht
viel härtere Strafen verdient? Richter Helmut Schreckendieck sprach
von einer erschreckenden Mischung aus "Dummheit, Arroganz,
Unverschämtheit und Aggressivität". Doch sind derlei Wesenszüge
allein nicht strafwürdig. Und bis zum Schluss blieb unklar, wer den
Tod von Jonny K. auf dem Gewissen hat. Womöglich wäre selbst bei
besserer Beweislage ein einzelner Täter gar nicht zu ermitteln in
diesem irren Inferno aus Schlägen, dem heftigen Sturz und brutalen
Tritten. So erklärt sich der Tatbestand einer "Körperverletzung mit
Todesfolge", obgleich der Fall sich in seiner ganzen kalten,
irrsinnigen Gewalt anfühlt wie ein Mord. Die Haftstrafen zwischen 27
Monaten und viereinhalb Jahren offenbaren ein Dilemma zwischen
Rechtslage und einem durchaus nachvollziehbaren Unbehagen der Bürger.
Wenn ein friedlicher junger Mann bestialisch ums Leben gebracht wird,
erscheinen netto maximal drei Jahre Haft vergleichsweise läppisch, ja
ungerecht. Gefühlt mag das sogar stimmen, juristisch aber nicht. Es
ist auch nicht edelmütig, aber Recht jedes einzelnen Angeklagten,
Vorwürfe von sich zu weisen. Auch die Flucht aus Deutschland kann man
breit deuten. Die Schwester des Opfers mochte nicht einmal Reue aus
den Beteuerungen der Täter lesen, die bisweilen klangen, als habe sie
ein Verteidiger geduldig diktiert und sicherheitshalber einige Mal
wiederholen lassen. Und: Wer ist schlimmer? Ein Ex-Boxer, der die
Horde anführt oder jene, die sich bereitwillig aufwiegeln lassen?
Hart, aber wahr: Selbst ein Freispruch allerletzter Klasse oder reine
Bewährungsstrafen wären denkbar gewesen; so geschehen bei einem
vergleichbaren Fall in Hamburg. Mit den Urteilen liegt das Gericht
immerhin nicht weit entfernt von den Maximalforderungen der
Staatsanwaltschaft. Die Rechtslage sieht übrigens eine Berufung vor;
die Urteile können also noch verändert werden. Man kann dem Gericht
keinen Vorwurf machen; Hinweise darauf, dass Steuer- oder
Wirtschaftsdelikte härter geahndet werden, helfen nicht weiter. Die
Justiz hat auf der Grundlage geltenden Rechts entschieden und nicht
nach dem Geschmack von Millionen deutscher Hobbyanwälte. Bleibt
dieses Gefühl der Beklommenheit, das nicht nur abendliche
U-Bahn-Fahrer kennen. Tatsächlich ziehen Gruppen vorwiegend junger
Männer durch diese Stadt. Was Gangsta-Rapper vielleicht lustig
finden, hat sich zu einer echten Pest ausgebreitet. Ein paar wenige
verbreiten mit ihrem unverschämten, aggressiven Auftreten Angst,
Hilflosigkeit und manchmal eben auch Mord und Totschlag. Doch
Integrationsdefizite, Verwahrlosung und soziale Probleme kann und
darf ein Richter in seinem konkreten Fall nicht lösen. Schließlich
die bange Frage, wie die Verurteilten aus dem Gefängnis zurückkehren
ins richtige Leben. Gute Christen und brave Demokraten predigen, dass
auch der übelste Gewalttäter das Recht auf Rehabilitation hat, auf
eine zweite Chance, aus seinem Leben mehr zu machen als hirnlose
Großmäuligkeit. Die Realisten wissen allerdings, dass diese fromme
Hoffnung nicht immer Wirklichkeit wird.
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