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"DER STANDARD"-Kommentar: "Der Staat frisst zu viel" von Luise Ungerboeck

Geschrieben am 29-10-2013

Die Metaller haben ihren Part erfüllt, nun ist die Regierung
am Zug (ET 30.10.2013)

Wien (ots) - Dem Wirtschaftsstandort, den die Industriellen gern
wie eine Monstranz vor sich hertragen, ist der Metallerlohnabschluss
sicher dienlich. Der angedrohte Streik in Betrieben der Maschinen-
und Metallwarenindustrie ist abgesagt und der soziale Friede, auf den
Österreichs Politiker so stolz sind, gewahrt. Zur Einigung haben mit
Sicherheit auch die anlaufenden Regierungsverhandlungen beigetragen.
Denn für die Schattenregierung Sozialpartnerschaft wäre es geradezu
peinlich gewesen, hätten ihre sonst so verlässlichen Problemlöser
ausgerechnet bei der Herbstlohnrunde versagt.

Wie ernsthaft oder gering die Drohung mit einem Arbeitskampf in
einem Land, in dem Streiks in Sekunden gemessen werden, auch gewesen
sein mag: In der Sache zeigt der Kompromiss, dass auch die
Problemlösungskompetenz der Sozialpartner überschaubar, ja geradezu
typisch österreichisch ist. Denn die Probleme mit Arbeitszeit und
Überstunden wurden einmal mehr aufgeschoben. Wohl ist es den
beharrenden Kräften in der Gewerkschaft gelungen, eine Verlagerung
der Materie auf die betriebliche Ebene vorerst abzuwenden (und damit
ihre eigene Demontage), eine branchenweite und -gerechte Lösung ist
aber erst zu verhandeln. Das wird kein Spaziergang, eher eine
Klettertour, bei der sich beide Seiten über steile Schluchten bewegen
werden müssen.

An Kondition und Verhandlungskultur sollten die Sozialpartner bis
dahin arbeiten, denn Einbunkern auf dem eigenen Standpunkt ist kaum
ein Ausweis für strategische Kriegsführung. Der Streikaufruf ohne
Eskalierungsstrategie war sowieso jenseitig. Immerhin ist die Chance
auf eine flächendeckende Problemlösung noch intakt. Eine solche ist
auch hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit wünschenswert,
einheitliche Rahmenbedingungen für alle Betriebe stellen auch einen
Standortvorteil dar.

Ob der in der Nacht auf Dienstag erzielte Lohnabschluss der
wirtschaftlichen Lage der Metallverarbeiter gerecht wird, ist ein
anderes Minenfeld. Die Bandbreite der Lohn- und Gehaltszuwächse - die
oberen Einkommensgruppen bekommen 2,5 bis 2,7 Prozent mehr,
Hilfskräfte und Niedrigverdiener bis zu 3,2 Prozent - lässt
Differenzierung erkennen und wirkt kostendämpfend für die
Unternehmen, weil ungelernte Hilfskräfte eine Minderheit darstellen.
Die Unternehmen werden zweifellos Möglichkeiten und Wege finden, die
Mehrkosten durch Einsparungen und Produktivitätssteigerungen
einzudämmen, gegebenenfalls durch Arbeitsplatzabbau.

Unterm Strich ist es wohl ein verkraftbarer Abschluss, mit dem
beide Verhandlungspartner ihr Gesicht wahren. Die Gewerkschafter
können einen Dreier auf ihre Fahnen heften, der vor dem Hintergrund
einer sinkenden Inflation täglich größer wird.

Die Industriellen haben die traditionelle große
Metallerherbstlohnrunde der sechs Branchenverbände endgültig
zerschlagen und können - mit einem verbindlichen Zeitplan bis Ende
Juni 2014 - auf Arbeitszeitflexibilisierungen in ihrer Branche
hoffen.

Dass die 120.000 Arbeitnehmer der Maschinen- und
Metallwarenbetriebe von der Lohnerhöhung unterm Strich kaum etwas
spüren werden, ist hingegen nicht den Tarifpartnern anzulasten. Das
ist das Verdienst der Regierung. Sie hat keinen Finger gerührt, um
den Faktor Arbeit zu entlasten. Das gefährdet Jobs. Aber der Staat
frisst zu viel, statt mit Steuern - Stichwort Vermögensabgaben - zu
steuern.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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