Westdeutsche Zeitung: Unsere Gesellschaft braucht Hebammen - Geburtshilfe wird immer mehr zur Aufgabe der Kliniken
Ein Kommentar von Vera Zischke
Geschrieben am 25-11-2013 |
Düsseldorf (ots) - Ständig in Bereitschaft, rund um die Uhr
ansprechbar, und das immer mit voller Aufmerksamkeit - es ist enorm,
was Hebammen für unsere Gesellschaft leisten. Und es ist beschämend,
wie schlecht sie dafür bezahlt werden. Dass ihnen auch noch
Versicherungsprämien aufgezwungen werden, die ihren Beruf zum puren
Idealismus machen, ist blanker Hohn.
Nach jahrelangem politischen Nichtstun muss die große Koalition
nun endlich dafür sorgen, dass sich die freiberuflichen
Geburtshelferinnen ihren Beruf auch in Zukunft leisten können - zum
Wohle aller. Denn gerade in Zeiten, in denen Schwangerschaft und
Geburt zum medizinischen Risiko erklärt werden, bilden die
freiberuflichen Hebammen einen ganz entscheidenden Gegenpol. Ohne sie
hätten Frauen erstmals keine Wahlfreiheit mehr, wo sie ihre Kinder
zur Welt bringen. Sie müssten zwingend in einer Klinik mit
wechselnden Geburtshelfern entbinden. Sie hätten keinen festen
Ansprechpartner mehr, der die ganze Zeit an ihrer Seite bleibt. Und
sie verlören weiter Einfluss darauf, wie sie gebären. Das ist
menschlich bedauerlich, weil es den Frauen Selbstbestimmtheit in
einem der persönlichsten Momente ihres Lebens nimmt.
Es ist aber auch medizinisch riskant: Jedes dritte Kind wird
inzwischen per Kaiserschnitt geholt. In den USA - wo aus
Versicherungsgründen gerade noch acht Prozent der Schwangeren
überhaupt von Hebammen betreut werden - gibt es jetzt schon
Geburtsärzte, die noch nie eine natürliche Entbindung gesehen haben.
Auch in Deutschland werden Schwangerschaft und Geburt zunehmend wie
eine Krankheit behandelt. 160 medizinische Analysen werden heutzutage
im Laufe einer ganz normalen Schwangerschaft durchgeführt -
sicherheitshalber.
Gerade deshalb sind Hebammen so wichtig in der Geburtshilfe: Sie
verfügen über eine Souveränität, die aus der Erfahrung eines
jahrtausendealten Berufsstandes rekurriert. Sie kennen die Frauen
gut, weil sie diese schon durch ihre Schwangerschaft begleiteten. Und
sie haben eine Gewissheit, die vielen Paaren heutzutage ausgeredet
wird: dass Kinderkriegen etwas ganz Natürliches ist.
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Westdeutsche Zeitung
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