Mittelbayerische Zeitung: Hinschauen und handeln
Geschrieben am 29-11-2013 |
Regensburg (ots) - Von Ulrich Krökel
Martin Schulz brachte es pünktlich zum Ost-Gipfel in Vilnius auf
den Punkt. Dieses Scheitern werde die EU noch lange beschäftigen,
prophezeite der EU-Parlamentspräsident. "Hoffentlich!", möchte man
ihm zurufen. Schulz selbst ließ in den Wochen vor dem Gipfel Fragen
zur Ukraine meist unbeantwortet. "Dafür habe ich derzeit keinen
Kopf", lautete die lapidare Botschaft. Die Koalitionsverhandlungen in
Berlin waren wichtiger. So ist das immer, wenn die Sprache in Brüssel
oder anderen westlichen Hauptstädten auf jenes Zwischeneuropa kommt,
das die EU von der Möchtegern-Weltmacht Russland trennt. Ukraine,
Moldau, Georgien? Kein Interesse. Es ist zuallererst die Ignoranz des
Westens, die der EU die Niederlage in Vilnius beschert hat. Fixpunkt
des Brüsseler Denkens und Handelns bleibt Moskau. So ist das auch bei
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die allen Ernstes russisches
"Taktieren mit den Mitteln des Kalten Krieges" beklagt, um im selben
Atemzug anzukündigen, nun einmal mit Kremlchef Wladimir Putin über
die Ukraine Tacheles zu reden. Was, bitte, ist das für eine
Denkfigur? Für die Ukraine selbst hat die Kanzlerin vermutlich keinen
Kopf. Um Martin Schulz Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Er war es
immerhin, der die Ukraine-Mission der Ex-Präsidenten Pat Cox und
Alexander Kwasniewski aufs Gleis gesetzt hat. Allerdings können zwei
"Ex" die erste Garde nicht ersetzen. Wann hat man zuletzt Kanzlerin
Merkel, den Briten-Premier Cameron oder den französischen Präsidenten
s Hollande nach Kiew oder Tiflis fliegen sehen, um sich der Dinge vor
Ort anzunehmen? Putin ist regelmäßig zur Stelle. Die wichtigste
Lehre, die es aus Vilnius zu ziehen gilt, lautet daher: Hinschauen
und handeln! Dabei gibt es mit Blick auf den Schlüsselstaat Ukraine
einige simple Dinge zu bedenken. Erstens: Viktor Janukowitsch ist
kein berechenbarer politischer Partner. Er hat wiederholt sein Wort
gebrochen. Auf nichts, was er sagt oder ankündigt, ist Verlass. Mit
einem solchen Irrläufer lassen sich keine historischen Verträge
schließen. Zweitens: Das Janukowitsch-Regime ist zutiefst korrupt. Es
hat seine Wurzeln in dem Milieu der ukrainischen Mafia der 90er
Jahre. Vor allem deshalb steht das Land vor dem Staatsbankrott. Wer
Geld in die Ukraine pumpt, leitet automatisch einen großen Teil in
dunkle Kanäle. Die von Janukowitsch geforderten Milliarden sollte
sich die EU deshalb sparen. Drittens: Weil mit Janukowitsch kein
Staat zu machen ist, ist es weiterhin wichtig, auf einer Freilassung
der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko zu bestehen.
Wer jetzt in dieser Frage klein beigibt, den nehmen die Ukrainer nie
mehr ernst. Am Rande des Vilnius-Gipfels wurde fatalerweise klar,
dass die EU genau diesen Weg gehen könnte, weil er der vermeintlich
leichteste ist. Viertens: Die Ukraine ist ein potenziell reiches
Land. Sie verfügt über Rohstoffe, eine industrielle Basis, die
fruchtbarsten Böden Europas und 46 Millionen Einwohner. Doch nicht
nur als Markt ist die Ukraine von großem Interesse für die EU. Eine
demokratische Entwicklung erhöht die Sicherheit in der Region und
könnte im besten Fall auf Russland ausstrahlen. Die EU sollte deshalb
aktiv auf Wandel in der Ukraine hinwirken. Fazit: Aus dem Gesagten
folgt, dass auf Dauer nur ein Regimewechsel in Kiew die Probleme
lösen kann. Die EU sollte alles tun, um die ukrainische Opposition zu
stärken. Auch deshalb darf sie Timoschenko nicht abschreiben. Mit
Vitali Klitschko gibt es zudem einen durchaus ernst zu nehmenden
Partner. Konfrontation mit den Mächtigen und Kooperation mit den
(noch) Ohnmächtigen ist die einzige vernünftige Alternative.
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