Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Grenzüberwachung in der Europäischen Union
Rosstäuscherei
KNUT PRIES, BRÜSSEL
Geschrieben am 02-12-2013 |
Bielefeld (ots) - Lampedusa als Chiffre für das Bootsunglück,
Mitte Oktober zu jämmerlicher Berühmtheit gekommen, ist längst aus
dem Fokus des öffentlichen Interesses verschwunden.
EU-Kommissionschef Barroso kümmert sich jetzt um die Ukraine, die
Inselbürgermeisterin Nicolini ist wieder zuhause und muss sehen, wie
sie dort zurechtkommt. Der nächste EU-Gipfel wird sich mit der
Bankenunion und der Sicherheitspolitik befassen. Aus dem Drama, das
ein paar Tage die Schlagzeilen beherrschte, ist wieder ein stilles,
alltägliches Elend geworden, mit Opfern, deren Zahl wir nicht kennen,
weil sie allenfalls später, als summarische Statistik, nachgeliefert
wird. Nichts Neues also in Sachen EU und Flüchtlingspolitik? Doch -
seit dem gestrigen Montag hat die Europäische Union ihr neues
Grenzüberwachungssystem: Eurosur, das war, neben den Bekundungen von
Trauer und Entsetzen, die Standarderwiderung auf die Frage, was die
EU eigentlich tue, um Katastrophen wie den Massentod vor Lampedusa zu
verhindern. Doch das war immer Rosstäuscherei. Eurosur ist kein
Instrument zur Lebensrettung, sondern ein Kooperations- und
Informationsnetz zu Kontrollzwecken. Neben den Patrouillenbooten der
Grenzagentur Frontex sollen Drohnen und Satelliten aktuelle
Lagebilder liefern. EU-Ämter, die sich hauptamtlich um Fischfang oder
maritime Sicherheit kümmern, sollen anfallende Erkenntnisse
einspeisen. Es gehe darum, "Risiken und Probleme an den Grenzen zu
identifizieren", lässt EU-Innenkommissarin Malmström ihren Sprecher
erklären. Zu solchen "Problemen" mögen dann auch Flüchtlingsboote in
Seenot gehören. Die EU-Staaten - zunächst die Mittelmeeranrainer,
dann auch die anderen - sind verpflichtet, solche Beobachtungen in
ihren Gewässern den anderen zu melden. Welche Schlüsse daraus
gezogen, welche Maßnahmen jeweils eingeleitet werden, steht indes auf
einem anderen Blatt. Eurosur für sich genommen ist neutral. Es kann
Element einer rücksichtslosen Abschottungsstrategie sein oder
Hilfsmittel zu humanen Zwecken. Die bisherige Geschichte der
EU-Flüchtlingspolitik, auch die Entstehung von Eurosur, macht
Letzteres mehr als unwahrscheinlich.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
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