WAZ: Zuwanderung ohne Plan
- Kommentar von Walter Bau
Geschrieben am 06-12-2013 |
Essen (ots) - Sie leben seit Jahren unter uns, haben hier ihren
Lebensmittelpunkt. Ihre Kinder sind oft hier geboren, gehen hier zur
Schule. Trotzdem sind sie permanent von der Abschiebung bedroht. Wenn
diesen "geduldeten" Flüchtlingen nun das dauerhafte Bleiberecht
gewährt wird, ist das ein Akt der Menschlichkeit und somit ein
notwendiger Kurswechsel der Politik. So wichtig dies für die
Betroffenen ist - ein grundsätzliches Problem wird damit nicht
gelöst: die Planlosigkeit in der deutschen Zuwanderungspolitik.
Man muss sich nur anschauen, welche Initiativen in den vergangenen
zehn, fünfzehn Jahren angestoßen - und wieder verworfen - wurden.
Unter Kanzler Gerhard Schröder wurde nach US-Vorbild die "Greencard"
eingeführt, die IT-Spezialisten aus Indien nach Deutschland locken
sollte. Der Erfolg hielt sich in Grenzen. Später wollte
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen junge Arbeitslose aus den
Krisenländern Südeuropas anwerben - es blieb bei der Idee. Aktuell
geht es um die Rekrutierung von Fachkräften aus Fernost für die
Pflegebranche. Aussichten ungewiss.
Wer eine Idee hat, startet eine Initiative, die oft alsbald wieder
begraben wird. Koordination? Fehlanzeige. Damit nicht genug. Denn die
gleichen Politiker, die sich erfolglos an einer abgestimmten
Zuwanderungspolitik abmühen, stehen hilflos den Folgen der
Armutseinwanderung vor allem aus Balkanstaaten gegenüber. Ausbaden
müssen dies die Städte, weil die oft folgende Gettoisierung zu Unruhe
in der Bevölkerung führt und zusätzliche Sozialleistungen die
Stadtkasse belasten. Widersprüchliche Gerichtsurteile über die
Hilfen, die den Zuwanderern zustehen (oder eben nicht), vergrößern
die Verunsicherung noch.
So hat sich die Politik in eine schwierige Lage manövriert. Sie
muss nun dringend einen Zuwanderungsplan entwerfen, der gleichzeitig:
die Freizügigkeit in einer zu schnell gewachsenen EU respektiert; der
Wirtschaft die gesuchten Fachkräfte bringt; soziale Ungerechtigkeiten
vermeidet; humane Grundsätze achtet; Akzeptanz in der Bevölkerung
findet. Das ist ein weiter Weg. Das Bleiberecht für die Flüchtlinge
kann daher nur ein erster Schritt sein.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de
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