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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Großen Koalition

Geschrieben am 15-12-2013

Bielefeld (ots) - Das muss man der SPD lassen: Nimmt man ihr
deprimierendes Wahlergebnis zum Maßstab, so geht die Partei geradezu
gefestigt in die Große Koalition. Sigmar Gabriel ist es in einem
knapp drei Monate währenden Kraftakt gelungen, seine Truppe wieder
aufzurichten. Fürs Erste hat die SPD nicht nur ihren Frieden mit den
schlappen 25,7 Prozent vom 22. September gemacht, sondern auch mit
der abermaligen Rolle des Juniorpartners unter einer Bundeskanzlerin
Angela Merkel. Der SPD-Parteichef ist der Gewinner der letzten
Wochen und Monate. Er hat die Not in eine Tugend verwandelt und das
ihm aufgezwungene Mitgliedervotum zu einem Muster innerparteilicher
Demokratie umgedeutet. Das Ergebnis ist so klar wie beeindruckend:
Sowohl die hohe Beteiligung der Parteibasis als auch die hohe
Zustimmungsquote zur Großen Koalition sprechen eine deutliche
Sprache: Diese SPD will regieren. Ein weiteres Plus: Mit
Wieder-Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Gabriel selbst als
Superminister bietet die Partei in Schlüsselressorts zwei politische
Schwergewichte auf. Mit Manuela Schwesig sitzt zudem eine der
SPD-Hoffnungsträgerinnen im Kabinett. Wenigstens als nicht
vorbelastet gilt der neue Justizminister Heiko Maas. Noch am
stärksten folgen die Berufungen von Andrea Nahles und Barbara
Hendricks dem parteiinternen Rang-, Geschlechter- und
Regionalproporz. Unter dem Strich jedoch verkörpert die
SPD-Ministerriege eine Eigenschaft, der man sich bei den
Regierungsmitgliedern der FDP zuletzt nie so ganz sicher sein konnte:
Ernsthaftigkeit. Freilich bleibt die Stimmungslage der SPD fragil.
Die am Wochenende zur Schau gestellte Selbstzufriedenheit hängt an
dem Glauben, dass der Koalitionsvertrag, der heute endgültig
unterzeichnet wird, wortgetreu Gesetzeswirklichkeit erlangt. Doch dem
widerspricht alle politische Erfahrung, erst recht mit Blick auf die
bisherigen Regierungen Merkel. So kann dem aktuellen Hoch der
Genossen schnell die Ernüchterung folgen, wenn die Union so verfährt,
wie sie es in der letzten Legislaturperiode mit den Liberalen getan
hat. Damals war der Koalitionsvertrag in weiten Teilen das Papier
nicht wert, auf dem er gedruckt war. Und auch jetzt wieder hat das
Gespann Merkel/Schäuble alles unter Finanzierungsvorbehalt gestellt.
Das lässt für so manches Gesetzgebungsverfahren heftigen Streit auf
der Arbeitsebene erwarten. Diese Regierung hat ihre Opposition schon
auf den eigenen Abgeordnetenbänken sitzen. Und dagegen kann die
übergroße Mehrheit, die Union und SPD im Parlament haben, gerade
nicht schützen. Hier offenbart sich auch der größte strategische
Vorteil der Union: Mit der Kanzlerin und dem Finanzminister bleiben
die beiden Fixsterne der Regierung unverändert. Auch die Minister
Ursula von der Leyen und Thomas de Maizière stärken das Machtzentrum
CDU und sind ein Zeichen von Kontinuität. Die spektakuläre und für
viele befremdlich wirkende Rochade in ihren Zuständigkeiten ändert
daran nichts. Deutlich wird so aber: Fachkompetenz allein bringt
keinen Politiker in die Regierung. Erst recht nicht in dieser CDU,
die mit Hermann Gröhe lieber einen weiteren Vertrauten Merkels -
quasi zum Dank - ins Kabinett holt. Ähnlich gelangt Alexander
Dobrindt für die CSU zu Ministerehren. Insgesamt muss die CSU aber
als Verlierer im Postenpoker gelten. Hans-Peter Friedrich, der als
Innenminister nie zu überzeugen vermochte, erlebt mit dem Wechsel ins
Agrarministerium einen Abstieg. Auch kompensiert die Besetzung des
Entwicklungshilfeministeriums durch Gerd Müller für die Partei kaum
den Verlust des Innenressorts. Vermutlich setzt CSU-Chef Horst
Seehofer aber ohnehin voll und ganz auf seinen eigenen Einfluss in
Berlin. Fazit: Um die Regierungsfähigkeit dieser Koalition muss man
sich keine allzu großen Sorgen machen. Und eine Beurteilung ihrer
Regierungstätigkeit kann naturgemäß noch nicht anstehen. Anders
ausgedrückt: Für Abgesänge jeder Art ist es zu früh. Und selbst die,
denen jede Große Koalition suspekt ist, können zufrieden sein. Denn
ein Resultat haben die Bundestagswahl und die folgenden Verhandlungen
bereits erbracht, das die neue Regierung bei weitem überstrahlen
wird. Die Ausschließeritis hat ein Ende. Schwarz-Grün ist fortan so
wenig unmöglich wie Rot-Rot-Grün, von der neuen Bündnisoffenheit
einer womöglich wieder auf die Berliner Bühne zurückkehrenden FDP
ganz zu schweigen. Und das ist doch schon mal ein schöner Erfolg.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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