Schwäbische Zeitung: Leitartikel zu Flüchtlingen - Die Kirche wird zum Vorreiter
Geschrieben am 20-12-2013 |
Ravensburg (ots) - Als aus Jorge Mario Bergoglio im März diesen
Jahres Papst Franziskus wurde, reagierte die Welt nicht mit
ungeteilter Begeisterung. Vor allem seine Rolle als Leiter des
Jesuitenordens während der argentinischen Militärdiktatur führte zu
manchem Argwohn gegenüber dem neuen Oberhaupt der katholischen
Kirche. Diese kritische Distanz legte sich aber schnell, denn der
neue Papst überzeugte viele Menschen mit seiner Demut, seiner Kritik
an der kirchlichen Selbstbezogenheit, seinem Werben für eine Kirche
der Armen. Im September verblüffte Franziskus erneut, als er
verlangte, Ordensgemeinschaften sollten ihre leer stehenden Klöster
für Flüchtlinge öffnen. Doch der neue Papst war nicht der einzige
Kirchenmann, der in jüngster Zeit überraschte.
Denn nur einen Monat später griff der Bischof der Diözese
Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, Franziskus' Gedanken auf und
schlug vor, die leeren Räume des früheren Benediktinerklosters im
oberschwäbischen Weingarten als Obdach für Flüchtlinge zur Verfügung
zu stellen. Und jetzt, wenige Wochen später, ist die Realisierung
dieser Idee schon beschlossene Sache. In einem atemberaubenden Tempo,
bedenkt man, wie lange Asylverfahren oder behördliches Handeln sich
mitunter hinziehen.
Das, was in Weingarten passiert, ist ein starkes Signal. Nicht der
Staat, sondern die Kirche hat mit unkonventionellem Handeln die
Flüchtlingspolitik ein Stück nach vorne gebracht. Sie hat nicht Geld
für neue Asylcontainer am Stadtrand gespendet, sondern ihr Haus
angeboten, das mehr ist als nur eine Herberge. Sie hat sich gegen
Bedenkenträger durchgesetzt und ihre Partner, seien es Land,
Landkreis oder Kommune, mitgezogen.
Noch viel wichtiger aber ist: Die Kirche ermuntert durch ihren
Einsatz in Weingarten auch andere Menschen und Gemeinden an anderen
Orten, dem Elend der Flüchtlinge nicht mehr tatenlos zuzusehen.
Wird Weingarten zum Vorreiter, der Nachahmer mitreißt?
Hoffentlich.
Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de
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