neues deutschland: Gegen eine Überschätzung Chodorkowskis
Geschrieben am 22-12-2013 |
Berlin (ots) - In den ersten 36 Stunden nach der Freilassung
blieben Michail Chodorkowski und sein Unterhändler Hans-Dietrich
Genscher diplomatisch zurückhaltend. Doch sprießen nach seiner
Begnadigung und Ausreise einige Legenden. Dafür sorgen näher oder
ferner Beteiligte, auch zeitweilige Nutznießer plötzlicher
Aufmerksamkeit. Was als ganz große Politik beginnt, landet letztlich
doch beim Boulevard. Ob der Öl-Magnat und Kreml-Kritiker politisch
oder wegen schwerer Wirtschaftskriminalität verurteilt worden sei,
darüber konnten sich selbst Amnesty International und der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte nicht einigen. Doch keinesfalls kam er
als Andrej Sacharow aus der Verbannung oder als Alexander
Solschenizyn, Lew Kopolew oder Sergej Kowaljow aus dem Archipel
Gulag. Sie widmeten sich anderen Menschen und ihren Rechten -
ungeachtet der Gegner und Folgen. Wird der Begnadigte bei ihnen
eingereiht, ist das eine klare Überschätzung. Ein Funktionär des
kommunistischen Jugendverbandes entstieg den Wirren des Unterganges
der Sowjetunion als knallharter und übermenschlich reicher
Kapitalist. Zwar Oligarch, unterlag er doch Mächtigeren. Das aber
macht aus ihm keinen Menschenrechtler oder eine moralische
Institution.
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neues deutschland
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