Mittelbayerische Zeitung: Der alte Kontinent und das neue Jahr - Krisenstaat Griechenland übernimmt die EU-Rats-präsidentschaft. Und beim Nachbarn Türkei brodelt es. Von Reinhard Zweigler
Geschrieben am 26-12-2013 |
Regensburg (ots) - Die Hoffnung stirbt in Athen offenbar zuletzt.
Griechenlands Premier Antonis Samaras malt die Zukunftsaussichten für
Hellas, der tristen Lage zum Trotz, leicht rosarot. Nach Jahren des
dramatischen Einbruchs der griechischen Wirtschaft könne es im
kommenden Jahr wieder zu einem leichten Wachstum kommen, prophezeit
der Konservative an der Schwelle des neuen Jahres. Noch dazu
übernimmt ausgerechnet die griechische Regierung ab Januar die
EU-Ratspräsidentschaft. Bildlich gesprochen übernimmt damit der
Schwerkranke selbst die Leitung der eigenen Operation. Der alte
Kontinent Europa geht mit den Problemen des alten ins neue Jahr. Die
Staatsschuldenkrise einiger südeuropäischer Euro-Länder drückt nach
wie vor. Die Abwicklung maroder Banken hat zwar einen Fahrplan, doch
die nächsten zehn Jahre dürften immer noch die Steuerzahler haften,
nicht die Kapitaleigner der Geldhäuser. Es ändert sich also erst
einmal nichts. Im Mai wird zudem in den 28 Mitgliedsländern ein neues
EU-Parlament gewählt. Europa, von dem einst das Modell für Demokratie
und Wohlstand für alle ausging, hat es schwer, sein
Gesellschaftsmodell, seine prägenden Werte so weiter zu entwickeln,
dass es für andere Länder erstrebenswert bleibt. Wie viel von den
schönen Vorhersagen von Regierungschef Samaras wirklich durch harte
Fakten und positive Entwicklungen in der griechischen Wirtschaft und
Gesellschaft untermauert ist und wie viel reine Zweckpropaganda sein
dürfte, wird man erst im Laufe des Jahres erfahren. Fakt ist jedoch,
dass der mit rund 240 Milliarden Euro an Krediten am Laufen gehaltene
Mittelmeer-Staat immer noch in einer tiefen Talsohle steckt. Da macht
ein Mini-Wachstum, das die Statistik ausweisen mag, die
katastrophalen Einbrüche der vergangenen Jahre keinesfalls wett.
Schlimmer noch: Der Druck, den Europäische Union, Europäische
Zentralbank und Internationaler Währungsfonds auf Athen ausüben, hat
zwar dortige Banken und Staat vor dem Zusammenbruch gerettet, doch
den Preis dafür zahlen die einfachen griechischen Bürger. Keine
Frage, dass die marode und völlig überforderte griechische Verwaltung
modernisiert und schlagkräftig gemacht werden muss. Doch dass Athen
für die dringend notwendige Konsolidierung der Staatsfinanzen nahezu
ausschließlich die "kleinen Leute" zur Kasse bittet und die
Großko-pferten, die Milliardenvermögen ins Ausland transferierten,
außen vor lässt, ist nicht hinnehmbar. Angesichts der verbreiteten
Unzufriedenheit im Land darf der Aufschwung politischer Extremisten
nicht überraschen. Eines der großen Probleme dürfte zudem der
griechische Nachbar Türkei werden. Der selbstherrliche Premier Recep
Tayyip Erdogan erlebt im Moment die wohl schwerste Krise seiner
bereits zehnjährigen Herrschaft. Zwar ist es seiner islamischen AKP
gelungen, dass Land am Bosporus wirtschaftlich enorm voran zu
bringen, doch demokratische Reformen bleiben zumeist stecken. Eine
türkische Mitgliedschaft in der EU, die Erdogan lange vehement
anstrebte, scheint in weite Ferne gerückt. Dennoch wird Europa Ankara
bei der Lösung vieler Probleme brauchen. Egal, ob mit oder ohne
Erdogan. Und egal, ob die Türkei Mitglied im Wohlstandsclub der
Europäer ist oder nicht. Das neue Jahr erwartet vom alten Kontinent
Antworten auf viele brennende alte Fragen.
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