Badische Zeitung: Willkommene Provokation / Warum China und Japan von ihrem Streit um den Yasukuni-Schrein profitieren
Von Justus Krüger
Geschrieben am 02-01-2014 |
Freiburg (ots) - Eine Beleidigung, eine offene Provokation, die
imperiale Träume offenbare - Chinas Außenministerium ließ es an
starken Worten nicht fehlen. Der Grund für die Aufregung: In den
vergangenen Tagen besuchten zwei japanische Spitzenpolitiker den
Yasukuni-Schrein in Tokio. Und in der Tat: Die Provokation ist
gewollt - von beiden Seiten. Der Tempel ist seit Mitte des 19.
Jahrhunderts die zentrale Gedenkstätte für japanische Kriegstote.
Unter den etwa 2,5 Millionen Toten, denen die Stätte gilt, befinden
sich auch 14 verurteilte Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs.
Premierminister Shinzo Abe stattete dem Tempel vor einer Woche einen
Besuch ab. Am Mittwoch folgte ihm Innenminister Yoshitaka Shindo.
Falls das als Provokation gemeint war, so ist das Manöver ein voller
Erfolg. Shinzo Abe sei von nun an in China nicht mehr erwünscht,
erklärte das chinesische Außenamt. Der chinesische Botschafter in
London verstieg sich sogar dazu, Japan in einem Zeitungsartikel mit
Lord Voldemort zu vergleichen, dem bösen Zauberer aus den Harry
Potter-Romanen. Wenn man dem offiziellen China glauben will, dann ist
Japan ein Schurkenstaat, der zu militärischen Abenteuern ansetzt.Das
ist natürlich Unsinn. Pekings heftige Reaktion war darum nicht
weniger überflüssig. Der Grund für den Schlagabtausch: Beide Seiten
wollen schlechte Beziehungen zueinander. Für Peking ist Japan ein
bequemer Feind, denn in China ist alles populär, was sich gegen Japan
richtet. Zum Teil ist dies eine Erbschaft des Zweiten Weltkriegs; zu
einem großen Teil liegt es aber daran, dass Peking seit den 80er
Jahren die feindselige Stimmung gezielt anheizt, um sich vor dem
heimischen Publikum desto besser als Hüter der vaterländischen Ehre
zu präsentieren. Auf der anderen Seite ist seit Beginn der
Wirtschaftsreformen vor gut 30 Jahren der chinesische Nationalismus
neben dem ökonomischem Erfolg die einzige Quelle der Legitimität für
die Kommunistische Partei (KP). Seitdem empört sich die Pekinger
Regierung über den Schrein. Im Streit zwischen Peking und Tokio um
Territorium im Ostchinesischen Meer ist der KP auch alles
willkommen, was Japan schlecht aussehen lässt. Das weiß natürlich
auch Shinzo Abe. Warum also tut er Peking den Gefallen? Zum Teil, um
sich bei konservativen Japanern beliebt zu machen. Aber vor allem
nützen Spannungen mit China seinem politischen Programm, sein Land
aus der Nachkriegszeit herauszuführen. Außenpolitisch ist Japan in
mancher Hinsicht in etwa da, wo Deutschland 1990 war. Je bedrohlicher
China wirkt, desto überzeugender sind Abes Argumente für ein starkes,
selbständiges Japan. Der Streit um den Schrein ist für Japan und
China also eine Win-win-Situation: Beide Seiten bekommen, was sie
haben wollen. Dumm an dem zynischen Spiel ist nur, dass der Preis ein
Schaden für die Beziehung zwischen den zwei mächtigsten Staaten
Asiens ist.
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