DER STANDARD - Kommentar: "Grüne Lustlosigkeit" von Michael Völker
Geschrieben am 09-01-2014 |
Während in den Ländern Betriebsamkeit herrscht, fadisiert sich
die Parteispitze. (Ausgabe vom 10.1.2014)
Wien (ots) - Die überhebliche Selbstgefälligkeit, mit der die
Grünen ihren Nationalratswahlkampf durchgezogen haben, ist
mittlerweile einer allgemeinen Ratlosigkeit gewichen. Der Zugewinn
von knapp zwei Prozentpunkten im September 2013 war zwar nett, die
Grünen blieben mit einem Ergebnis von 12,4 Prozent aber weit hinter
ihren eigenen Erwartungen und auch hinter jenen, die sie in der
Öffentlichkeit geweckt hatten, zurück. Wieder einmal. Die Aussicht
auf weitere fünf Jahre Bedeutungslosigkeit in der Op?position ist
offenbar lähmend: Die Parteispitze demonstriert Lustlosigkeit, die
Gefolgschaft in den vorderen Rängen badet in Mutlosigkeit, zurzeit
sind offenbar Betriebsferien ausgerufen. Genervt und mit
untergriffiger Zickigkeit reagieren die Grünen auf die neue
Konkurrenz, die Neos. Im Wahlkampf hat man deren Antreten völlig
unterschätzt, jetzt findet man kein Rezept gegen die neue Partei im
Parlament und pflegt offenbar lieber die Feindschaft, als in der
Opposition eine Allianz zu schmieden. Es ist auch ärgerlich: Bisher
waren die Grünen die frische, kreative und unkonventionelle Kraft in
der Politik, jetzt sind auf einmal die Neos die interessanten und
frechen Newcomer, auch wenn deren Chef unmotiviert Bäume umarmt. Aber
das ist ja auch den Grünen nicht fremd. In ihrer Ernsthaftigkeit und
Behäbigkeit schauen die Grünen neben den Neos aber alt und fad aus.
Was natürlich ungerecht ist: Denn inhaltlich sind die Grünen besser
aufgestellt denn je. Nur stimmt gerade die Nachfrage oder die
öffentliche Wahrnehmung nicht. Die Parteispitze scheint das dermaßen
zu erschöpfen, dass sie ihren Weihnachtsurlaub offenbar bis tief
hinein ins neue Jahr prolongiert hat und der Öffentlichkeit aus dem
Wege geht. In krassem Gegensatz dazu steht die Betriebsamkeit der
Grünen auf Länderebene. Bereits in mehr als der Hälfte aller
Bundesländer regieren Grüne mit und kommen somit in eine ganz
konkrete Umsetzungsphase. In Oberösterreich, Wien, Tirol, Salzburg
und Kärnten sind Grüne in der Landes-regierung vertreten und nehmen
politische Verantwortung wahr. Sie treffen sich am Freitag und
Samstag zu einer Arbeitssitzung in Linz, um sich besser zu vernetzen
und ihre Erfahrungen auszutauschen. Eva Glawischnig, die
Bundessprecherin in Wien, wird übrigens nicht dabei sein, sie lässt
sich vertreten, weil sie in der Bundeshauptstadt repräsentieren muss.
Auch das ist irgendwie symptomatisch. Die Erfahrungen auf Länderebene
sind durchaus ähnlich: Dort, wo die Grünen auf regionaler Ebene in
die Verantwortung kommen, werden sie ernst genommen und geschätzt,
raufen sich mit den Koalitionspartnern zusammen, tragen konstruktiv
etwas zur Lösung der Probleme bei. Mit Ausnahme von Wien. Mit einer
Symbolpolitik, die zwar die richtige Richtung anzeigt, aber
ungeschickt umgesetzt ist, haben sich die Wiener Grünen mit der
Begegnungszone in der Mariahilfer Straße in eine politische Sackgasse
manövriert. Dort wieder unbeschadet herauszufinden wird unendlich
schwierig. Dass die grüne Regierungsbeteiligung in Wien von einer
derartigen Lappalie überschattet wird, ist bitter für
Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, die ihren Handlungsspielraum
damit selbst extrem eingeschränkt hat. Das ist aber auch bitter für
Glawischnig auf Bundesebene: Emotional diskutiert werden letztlich
immer nur die kleinen Versäumnisse und nicht die großen
Errungenschaften. Das gilt auch für grüne Politik.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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