Mittelbayerische Zeitung: Schäuble setzt auf das Prinzip Hoffnung / Der schwarz-rote Haushalt ist mutlos: Die Regierung packt keine Reformen an, sondern das Füllhorn aus. Leitartikel von Reinhard Zwei
Geschrieben am 24-06-2014 |
Regensburg (ots) - Hans Eichel hatte in seiner Zeit als
Bundeskassenwart eine Reihe von Sparschweinen auf seinem Schreibtisch
stehen. Doch der "Hans im Glück" hatte seinerzeit Pech. Die geplatzte
Blase des Neuen Marktes verhinderte einen ausgeglichenen Haushalt,
den der SPD-Mann damals für 2006 anpeilte. Peer Steinbrück war noch
schlimmer dran. Die katastrophale Finanzkrise 2008/09 verhagelte
jeden Gedanken an einen soliden Haushalt. Im Gegenteil. Der
SPD-Finanzminister musste, den Abgrund vor Augen, tief in den
Ausgabentopf greifen, um zumindest die schlimmsten Folgen der Krise
abzumildern. Das ist Deutschland auch gelungen. Viel besser als
anderen Staaten in der EU und weltweit. Allerdings trägt das Land
seither mit am Rucksack der Euro-Rettung, für die der Staat mit zig
Milliarden bürgt und mehrere Milliarden schon bereitgestellt hat. Es
regiert das Prinzip Hoffnung, dass wir niemals in die Verlegenheit
kommen werden, die Milliarden-Bürgschaften auch wirklich einlösen zu
müssen. Auf das Prinzip Hoffnung setzt der aktuelle Bundeskassenwart
Wolfgang Schäuble auch beim jetzt "nachgereichten" Haushalt für das
laufende Jahr. Weil sich die Koalitionsverhandlungen über mehr als
ein Vierteljahr hinzogen, kann sich der Bundestag erst in dieser
Woche abschließend mit dem Etat befassen. Das ist reichlich spät,
aber nicht zu spät. Bislang galt die vorläufige Haushaltsführung, die
laufende Projekte finanzieren ließ, nur leider keine neuen
Investitionen ermöglichte. Diese Bremse wird spätestens am Freitag
gelöst, wenn der Bundestag den Haushalt beschließt. Gestern gab es
viel Eigenlob von Schäuble, anderen Unionspolitikern und SPD-Kollegen
für den Etat mit knapp 300 Milliarden Euro Ausgaben, aber eben immer
noch 6,5 Milliarden Euro Neuverschuldung. Die Schwarz-Roten feierten
Deutschland als Stabilitätsanker und Wachstumsmotor. Geschenkt. Bei
Lichte besehen ist der jetzige Haushalt keineswegs couragiert. Er ist
nicht ambitioniert. Mutig einsparen geht anders. Obendrein griff man
in letzter Minute zu einigen Tricks, um die Neuverschuldung nicht
noch weiter ansteigen zu lassen. Nach einem Gerichtsurteil etwa soll
die Brennelementesteuer von rund drei Milliarden Euro im Jahr, die
AKW-Betreiber zu entrichten haben, nicht verfassungskonform sein.
Rechtlich ist nach dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg das letzte
Wort zwar noch nicht gesprochen, doch so oder so fehlen Schäuble erst
einmal die drei Milliarden. Äußerst kreativ, man muss schon sagen
ungeniert, haben die Koalitionäre daraufhin die eigene
Steuerschätzung vom Mai nach oben korrigiert. Die Hoffnung, der
Fiskus werde schon mehr einnehmen, als eigentlich erwartet, wurde zur
Basis des neuen Haushalts gemacht. Zudem wurde an einigen Posten,
etwa bei der Bundesagentur für Arbeit oder dem Zuschuss für die
Krankenkassen abgeknapst. Auf gut Deutsch nennt man so etwas
"Flickwerk". Auf der anderen Seite öffnet die Koalition an anderer
Stelle das Füllhorn. Bei der Mütterrente griff man ebenfalls zu einem
Trick und bürdet die Lasten nicht etwa allen Steuerzahlern auf, wie
es sinnvoll gewesen wäre, sondern greift tief in die Rentenkasse, die
nur die Beitragszahler füllen. Studenten dagegen, die sehnsüchtig auf
ein höheres Bafög warten, werden auf das Jahr 2015 vertröstet. Und
auf die Abmilderung der kalten Steuerprogression wartet man
vergebens. Wirkliche Strukturreformen packt Schwarz-Rot nicht an.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
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