Westdeutsche Zeitung: Die "Digitale Agenda" der Bundesregierung =
von Werner Kolhoff
Geschrieben am 20-08-2014 |
Düsseldorf (ots) - Politisch hat die Bundesregierung das Internet
in den vergangenen acht Jahren unter Merkels Verantwortung sträflich
vernachlässigt. Daher kann man den gestrigen Kabinettsbeschluss über
eine "Digitale Agenda" auch nicht uneingeschränkt bewundern.
Natürlich, besser spät als nie, aber für ein Industrieland wie
Deutschland, das davon lebt, Spitzentechnologie zu entwickeln und
weltweit zu vermarkten, ist es ein schwerer Mangel, dass ein solches
umfassendes Arbeitsvorhaben erst jetzt formuliert wird. 22 Jahre
nachdem die erste SMS abgeschickt wurde und 30 Jahre nachdem die
erste Mail durch das Netz jagte. Und es ist viel zu spät, um die
Amerikaner, Japaner, Südkoreaner oder Finnen wieder einzuholen.
Insofern hat der großspurige Satz in dem Papier, Deutschland solle
das "digitale Wachstumsland Nummer 1 in Europa" werden, einen
Wahrheitsgehalt: Es gibt wahrlich Luft nach oben. Drei Minister haben
das Werk gestern stolz wie junge Väter vorgestellt und dabei
verschwiegen, dass sie für das Baby kaum Unterhalt zahlen wollen.
Diese Entscheidung wurde bei den Koalitionsverhandlungen im Herbst
getroffen, als man die in einer Arbeitsgruppe beschlossene eine
Milliarde Euro jährlich für den flächendeckenden Breitbandausbau
wieder strich. Die Telekom beziffert die Ausbaukosten allein für die
letzten zehn Prozent der Versorgung mit schnellem Internet - und das
sind die ländlichen Gebiete, wo Bürger und Mittelständler
händeringend darauf warten - auf 15 Milliarden Euro. Ohne Förderung
wird der Konzern die nicht ausgeben. Man kann das Wort "Agenda"
unterschiedlich verstehen. Wie die Reform-Agenda 2010 als Katalog von
Lösungen, die man tatsächlich umsetzt. Oder als Katalog von Fragen
und Aufgaben, derer man sich bei Gelegenheit annehmen möchte. Um
letzteres handelt es sich bei dieser "Digitalen Agenda". Gelöst ist
mit ihr noch nichts. Nicht der Datenschutz, nicht die IT-Sicherheit,
nicht die Förderung der IT-Wirtschaft, nicht die Forschung, nicht die
digitale Bildung, nicht einmal die Versorgung. Aber wenigstens ist
das "Neuland", wie Angela Merkel einmal das Internet bezeichnet hat,
nun vermessen, was ja immer der erste Schritt zu Besiedelung ist.
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Westdeutsche Zeitung
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