Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu Bundesverfassungsgericht/Hartz-IV-Urteil
Geschrieben am 09-09-2014 |
Stuttgart (ots) - Die Verfassungsrichter haben einmal entschieden,
das Grundgesetz gebiete zwingend, Deutschlands Professoren mehr
Gehalt zu geben. Bei den Ärmsten dieses Landes sind sie
zurückhaltender. Dort prüfen sie nur, ob Hartz IV "offenkundig" und
"keinesfalls" menschenunwürdig ist. Sie kommen zu dem dann
erwartbaren Ergebnis, dass die Sozialleistung 2011 "noch"
verfassungskonform war - und geben ohne weitere Prüfung auch für die
folgenden Jahre ihr Gütesiegel. Die Richter kommen aber nicht darum
herum, Nachbesserungen für die Zukunft zu fordern, die nun Jahre zu
spät kommen werden. Selbst Richtern fällt auf, dass keine Mutter für
2,19 Euro einen Monat lang Windeln kaufen kann und dass niemand
Waschmaschine samt Kühlschrank bezahlen kann, der im Monat 3 Euro
dafür zurücklegt.
Die Richter winden sich; es ist kein überzeugendes Urteil. Aber
dieser Spruch macht wieder einmal klar, wer den Preis dafür zahlt,
dass Deutschland im internationalen Vergleich so gut dasteht und so
wettbewerbsfähig geworden ist. Es sind die Armen in diesem Land. Die
Karlsruher Richter wollten zunächst nur von ganz weit oben
hinschauen, ob das Ergebnis, die damals 328 Euro pro Mensch, reichen
könnten. Aber je genauer sie hingeschaut haben, desto klarer wurde
auch ihnen: sie reichen nicht, jedenfalls nicht für Windeln.
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