Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Junckers EU-Kommission
Zur Kooperation verdammt
Knut Pries, Brüssel
Geschrieben am 12-09-2014 |
Bielefeld (ots) - Hinsichtlich seiner Truppe ist Jean-Claude
Juncker unbescheiden. Das sind alle miteinander "Hochkaräter", lobt
der Luxemburger die Damen und Herrn, mit denen er als Brüsseler
Kommissionspräsident die Geschicke der EU in den kommenden fünf
Jahren lenken will. Für Erfahrung und Kompetenz jedes Einzelnen könne
er bürgen. "Ein Sieger-Team!" Das hat politische Konkurrenten,
Kom-mentatoren und Lobbyverbände nicht gehindert, sogleich über die
angeblichen Siegertypen herzufallen und zu unken, dass sich Juncker
mit der Personalie X und der Ressortzuteilung Y schwere Fehler
geleistet habe. Ein Großteil der Kritik folgt dem Mäkelmuster "Bock
und Gärtner". Zielscheibe des Vorwurfs sind vor allem der Franzose
Pierre Moscovici (Wirtschaft und Finanzen), der Brite Jonathan Hill
(Finanzmärkte), der Grieche Dimitris Avramopoulos (Migration) und der
Ungar Tibor Navracsics (Bildung und Kultur). Bei jedem der Genannten
heißt es: Ausgerechnet! Steht nicht Moscovici für die Unfähigkeit der
französischen Sozialisten, der Schuldenmacherei ein Ende zu setzen?
Wird nicht Lord Hill in erster Linie die Interessen der Londoner
Börse im Auge haben? Wie soll Avramopoulos das Flüchtlingsproblem in
den Griff bekommen, mit dem Griechenland notorisch überfordert ist?
Und ist nicht Navracsics von der ungarischen Fidesz-Partei ein
Vertreter jenes ruppigen Umgangs mit Demokratie und Rechtsstaat, der
die EU-Partner seit Jahren empört? Dass Juncker, kein heuriger Hase,
aus Versehen oder Inkompetenz so viele Böcke geschossen
beziehungsweise zu Gärtnern ernannt hat, kann man ausschließen. Es
ist dies eine bewusste Strategie - und politisch pfiffiger, als auf
den ersten Blick ins Auge fällt. Ein führender EU-Parlamentarier
beschreibt es so: "Die Motzer sollen Verantwortung übernehmen." Die
Arbeit im Brüsseler Kollegium, das für seine Mitglieder verbindliche
Beschlüsse fasst, bindet alle in eine gemeinsame europäische Position
ein - und die kann einer misstrauischen Außenwelt am besten
vermitteln, wer selbst als Skeptiker bekannt ist. Es ist dieselbe
Logik, deretwegen Gerhard Schröder als Agenda-Kanzler Erfolg hatte:
Soziale Zumutungen dieses Kalibers konnte nur ein Sozialdemokrat
unter die Leute bringen. Eine zweite große Veränderung ist bislang
weitgehend unbemerkt geblieben. Sie betrifft das Zusammenspiel der
Juncker-Kommission mit dem Europäischen Parlament. Die Europawahl hat
dafür gesorgt, dass die Schaltzentrale der EU politischer ist als
jede zuvor. Juncker hat sich den Chefsessel in Brüssel erkämpft, weil
er als Spitzenkandidat der Christdemokraten mehr Mandate holte als
die Konkurrenz und weil er im EP auch auf die Truppen des
Sozialdemokraten Martin Schulz sowie eines guten Teils der Liberalen
zählen kann. Das Bündnis von Schwarz und Rot kann nicht einfach
auseinanderlaufen, weil sonst keine verlässlichen Mehrheiten zustande
kommen. Nach den Wahlerfolgen der Populisten steckt das Hohe Haus
"voller Spontis und Spezialkünstler" (der CDU-Gruppenchef Herbert
Reul). Die rechte und die linke Mitte sind zur Kooperation verdammt,
miteinander und mit Juncker, dessen Haus der institutionelle
Anstoßgeber der Europäischen Union ist. Politische Basis ist das von
Juncker vorgelegte Programm. Das heißt: Die Brüsseler nähern sich den
Berliner Verhältnissen an, bei denen sich eine Regierungskoalition
auf ein großes Parteienbündnis im Parlament stützt. Aus Team Juncker
wird GroKoKo - die große Koalitions-Kommission.
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