"DER STANDARD-Kommentar:Ein Fetisch für den Hausgebrauch." von Conrad Seidl.
Geschrieben am 25-09-2014 |
Die Neutralität steht nur auf dem Papier - aber das scheint
keinen zu stören "ET 26.09.2014"
Wien (ots) - Für die österreichische Identität ist sie wichtiger
als Lipizzaner und Mozartkugeln - das musste schon Wolfgang Schüssel
erfahren, als er zur Zeit seiner Kanzlerschaft die Neutralität
gemeinsam mit anderen angestaubt wirkenden Versatzstücken des
Österreichbewusstseins ins Museum verräumen wollte. Dabei ist die
österreichische Neutralität kein Wunschkind der österreichischen
Politik gewesen: Nach 1945 wollte man Freiheit; die einschränkende
Selbstverpflichtung, keinen Bündnissen beizutreten und keine
Stützpunkte auf österreichischem Territorium zuzulassen, hat sich
erst 1954 in den Staatsvertragsverhandlungen herauskristallisiert.
Die Sowjetunion erwartete sich damals viel von einem neutralen
Österreich: Die neutralen Länder im Alpenraum würden in
Friedenszeiten einen Keil im Nato-Territorium bilden. Und im
Kriegsfall, das hatte man noch als Lehre des deutschen Überfalls auf
Belgien 1914 im Hinterkopf, hilft einem neutralen Land die
Neutralität ohnehin nichts - es wird einfach überrannt.
Also wurde Österreich nahegelegt, als Preis für den Abzug der
ehemals alliierten, inzwischen aber im Kalten Krieg befindlichen
Besatzungstruppen seine Neutralität zu erklären. "Immerwährend"
schrieben die Österreicher dazu und erklärten "nach Schweizer
Muster". Für die Bevölkerung war das nur ein Randaspekt von
Staatsvertrag und Truppenabzug 1955 - eine gewisse Popularität
erreichte die Neutralität erst in den 1970er-Jahren, als die
Regierung Kreisky sie mit einem realistischen Verteidigungskonzept
unterfütterte.
Ab da begann man aber auch an der Neutralität herumzudeuteln: Es
waren Offiziere des Bundesheeres, die unter Hinweis auf die Pflichten
des Neutralen eine dem Konzept entsprechende Ausrüstung verlangten -
während die Politik diese Mittel mit dem Hinweis verweigerte, dass
Österreich als neutraler UN-Standort viel besser geschützt sei als
durch Waffen.
Österreich interpretiere seine Neutralität selbst, lautete fortan
das politische Mantra. Das ging so weit, dass die Regierung 1994 die
Formel verwendete, dass "Österreich als neutrales Land in die EU
geht" - was so ähnlich klingt wie der Hinweis, dass eine Frau als
Jungfrau in die Ehe gehe.
Aber damals hatte sich das Neutralitätsverständnis ohnehin schon
gewandelt: Beim Fall des Eisernen Vorhangs und noch mehr beim Zerfall
Jugoslawiens hat Österreich alle Freiheitsbestrebungen zumindest
verbal viel deutlicher unterstützt, als das dem neutralen Status
entsprechen würde. Im Golfkrieg 1991 winkte Österreich Transporte von
Nato-Rüstungsgütern für die Koalition gegen Saddam Hussein durch; im
Rahmen der Partnerschaft für den Frieden mit der Nato sind mehr oder
weniger regelmäßig Nato-Soldaten im Land. Das regt in der Bevölkerung
keinen mehr auf - solange Österreich formal an seiner Neutralität
festhält und nicht etwa der Nato beitritt. Denn das könnte neben
anderen Pflichten auch finanzielle Auflagen bedeuten.
So bleibt die Neutralität als Fetisch für den Hausgebrauch auf dem
Papier bestehen, während Regierung und Parlament - jeweils im
Einzelfall - tun, was man wohl auch täte, wenn man einem Bündnis
angehörte: Sanktionen gegen Unruhestifter mittragen zum Beispiel.
Oder sogar Truppen entsenden wie in den Tschad. Womit aus der
Neutralität eine Solidarität mit den Partnern wird.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT ***
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
549074
weitere Artikel:
- Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
CSU-Herbstklausur
Seehofers Neustart
Ralf Müller, München Bielefeld (ots) - Es war klar, dass bei der CSU nach den letzten
für sie alles andere als erfreulich verlaufenen Monaten eine
Kraftanstrengung notwendig war. Das Sommertheater um
Ex-Staatskanzleiministerin Christine Haderthauer (CSU), der Knatsch
um die Pkw-Maut, aber auch das Erstarken der AfD konnten Seehofer und
seinen Gefolgsleuten nicht behagt haben, auch wenn der Parteichef die
Turbulenzen in Banz wegwitzeln wollte. Jetzt also der große
inhaltliche Aufschlag durch den von Seehofer ausgerufenen
"Themenherbst". Was die CSU in mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
Schulsozialarbeit droht personeller Kahlschlag
Teilhabe darf kein Zufall sein
MATTHIAS BUNGEROTH Bielefeld (ots) - Jeder hat das Recht auf das gleiche Ziel, so
lautet ein zentrales Prinzip des Inklusionsgedankens. Ein Satz, den
auch die Schulsozialarbeit als Triebfeder hat. Mit großem Erfolg:
Wissenschaftliche Untersuchungen wie Ende 2013 durch die Universität
Wuppertal bescheinigen den dort tätigen Sozialarbeitern, dass ihre
Angebote von den Schülern stark frequentiert und sehr geschätzt
werden und soziale Unterschiede ausgleichen können. Und die Politik?
Sie hat nichts anderes zu tun, als in zahlreichen Lippenbekenntnissen mehr...
- Weser-Kurier: Verwaltungsgericht sieht Beamte unterversorgt Bremen (ots) - Das Verwaltungsgericht Braunschweig sieht bei der
Beamtenversorgung eine Lücke von knapp 25 Prozent gegenüber der
allgemeinen Einkommensentwicklung. Das ergibt sich aus dem
Vorlagebeschluss für das Bundesverfassungsgericht, der dem
WESER-KURIER vorliegt. Den Länderhaushalten drohen möglicherweise
milliardenschwere Mehrbelastungen. Die 7. Kammer des
Verwaltungsgerichts spricht von einer "greifbaren Abkopplung" der
Besoldung und beschwört Gefahren für eine rechtsstaatliche
Dienstausübung herauf: "Die Bereitschaft des mehr...
- Westdeutsche Zeitung: Hannelore Kraft steckt im Image-Dilemma =
von Vera Zischke Düsseldorf (ots) - Es muss ein Fest für die Oppositionsparteien im
nordrhein-westfälischen Landtag sein: Eine Pflichtverletzung wollten
sie die Ministerpräsidentin nachweisen. Am Ende haben sie Hannelore
Kraft ihrer Ansicht nach beim Flunkern erwischt - und damit an einer
ganz empfindlichen Stelle. Hand aufs Herz: Natürlich verzeiht man
einer schwer beschäftigten Politikerin, wenn sie einmal im Jahr nicht
rund um die Uhr erreichbar ist. Man mag ihr auch verzeihen, dass sie
eben diesen Urlaub nicht abgebrochen hat, um nach Münster zu mehr...
- neues deutschland: Ausgrenzender Freihandel Berlin (ots) - Ceta und TTIP: Beide Vertragswerke passen nicht in
diese Zeit. Zum einen ist die strikte Geheimhaltung, unter der die
Verhandlungen geführt wurden und werden, nicht vereinbar mit dem
Transparenzgedanken, der das Fundament einer modernen, also digitalen
Gesellschaft bildet. Zum anderen beflügeln beide Freihandelsverträge
die Blockbildung. Sie sind eben nicht getragen vom Gedanken der
Globalisierung, wie Union und SPD meinen und im gleichen Atemzug der
LINKEN vorwerfen, ihre Kritik an den Abkommen sei ein Rückfall in den mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|